Einblick

An der Stresemannstraße, schräg gegenüber dem S-Bahnhof Holstenstraße, sitzt einer hinter seinem Schaufenster und verkauft Luxus. „Sich sechs Stunden in einem Buch zu verlieren, ist eigentlich unbezahlbar“, grinst Robert Berridge auf die Frage, wie sich denn in Hamburg ein englischer Second-hand-Buchladen rechnet. Der 38jährige gelernte Stadtplaner aus Ascot, der vor 14 Jahren in Hamburg hängen blieb, bietet allen, die mit Genuß auf einem gepolsterten Hockerchen vor Regalen knien, die Qual der Wahl.

„Murder, love and happiness“ sind sein ökonomisches Standbein, aber es gibt auch „The Selected Military Writings of Mao Tse Tung“ – nicht gerade „ein Renner“, wie überhaupt 30 Prozent des Bestandes unverkäuflich sind. Nur: „Welche dreißig Prozent das gerade sind, weiß man nie“, beschreibt er das Dilemma eines Gebrauchtbuchhändlers. Dennoch muß es ihn geben: „Ich nehme kein Geld für das Buch an sich, sondern dafür, daß ich es nicht weggeworfen habe.“

Nachschub bekommt er von der Familie und Freunden aus England. Zur Deckung der Kosten für die regelmäßigen Inselsprünge dient das unter Stammkunden gefragte Zusatzsortiment von „Lea & Perrin's Ginger Sauce“ bis „Tyne's Beef & Kidney Pie“, auch wenn man sich bei letzterem „On Dangereous Ground“ befindet, wie unmittelbar darüber der Titel eines Thrillers warnt. Berridge hat im Nachbarladen eine Kinderbuchabteilung mit Raum für Lesungen „und jeden, der Interesse hat“ eingerichtet. Reich wird er damit nicht, aber „ich existiere, und das ist allemal aufregender als in einem Mainstream-Laden in der Innenstadt zu sitzen.“