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Karstadt setzt auf Ökosuff

■ Umweltschutz-Ausstellung und neue „Biocorner“ bei Karstadt /Familie Nölle kostet vor

Der Umweltinspektor im Karstadt-Haus ist entsetzt. Stolz hält er eine Rolle Naturgeschenkpapier aus Maulbeerbaum-Präparat in die Luft. Doch Ingeborg Nölle, Ehegattin des Finanzsenators, schaut begeistert auf bunte Geschenkschachteln, „weil die so praktisch sind“. Gestern sollte Ehemann Ulrich den Startschuß für eine Ausstellung zum Thema „Umweltschutz“ und ein Ökogewinnspiel geben: Da hatte Karstadt-Geschäftsführer Hans-Hinrich Blumenberg Familie Nölle sogleich als kompetente Verbraucher in Sachen Umweltschutz in seinen Komsumtempel geladen.

Fünf Preise warten nun auf ihre stolzen Karstadt-Kunden-Gewinner – von der Ökowaschmaschine bis zum zweiwöchigen Urlaub auf dem Bauernhof. Schließlich, so Karstadt-Geschäftsführer Blumenberg, „sollen wir alle umweltbewußt handeln“, und „Gutes tun, damit die Umwelt sauber bleibt.“ In arielweißen T-Shirts rollt das Azubi-Umweltteam von Karstadt auf Inline-Skatern durch die Menge, verteilt Jutetäschchen und weiße Infobroschüren mit „Umweltbewußt handeln“ Symbol. Satte elf Umweltpreise hat das Unternehmen bereits kassiert, das seit 1989 Umweltschutz zur Chefsache und festen Bestandteil der Firmenpolitik erklärt hat. „So schön, so sinnvoll und so lobenswert“, findet Nölle und wird dafür sogleich mit einem Ökosekt belohnt – aus garantiert biologischem Anbau. „Aus garantiert sauberer Umwelt“, freut sich Karstadtchef Blumenberg und treibt sein Testpärchen zum Hausrundgang.

Vorbei an „Solitär-Imprägnier-Spray – garantiert FCKW frei“ und schadstoffgeprüften Textilhemden geht es durch marmorne Gänge. Blaue „Umweltbewußt handeln“ Schilder hängen unscheinbar über den Regalen und Wühltischen. Plastiktragende Verbraucher rennen hektisch an ihnen vorbei. Seit 1990 hat Karstadt 30 Prozent weniger Plastiktüten verteilt, verkündet Klaus Wilmsen, der aus Essen angereiste Karstadt-Umweltschutzbeauftragte stolz. „Darauf können wir nicht ganz verzichten. Ein schicker Anzug oder ein teures Kleid paßt da einfach nicht rein. Es gibt Jutebeutel leider nicht in allen erdenklichen Größen“, entschuldigt er sich und präsentiert elf Umweltpreise in der Ausstellung im vierten Stock: In fünf schicken Glasvitrinen mit Rasenboden glänzen die Pokale im halogenen Lampenlicht: Für 50.000 Tonnen weniger Verpackung durch eine Plastik-Transportbox, für 70 Prozent Warentransport auf der Schiene, für 95 Prozent weniger Transporte durch ein zentrales Verteilzentrum. „Da ist natürlich auch ein bewußtes Eigeninteresse dabei“, gibt der Umweltbeauftragte offen zu, nachdem er im Konferenzraum ein werbewirksames Videofilmchen zum Karstadt-Transport auf die Leinwand geworfen hat. Rund 21 Millionen Mark spart Karstadt durch das neue Transportsystem ein. „Und bei weniger Verpackung gibt's auch weniger Gebühren für den grünen Punkt.“

Während Familie Nölle sich die extra von Karstadt-Köchen gebrutzelte Ökokost schmecken läßt, flimmert Ökobauern-Familie Decker über den Bildschirm. Ökotomaten fliegen durch die Luft und landen schließlich bei Karstadt im neuen „Biocorner-Regal“, das ab Mitte Oktober, „ein unschätzbares Kundenpotential erreichen soll.“ „Karstadt sichert sich damit Wettbewerbsvorteile und beteiligt sich an einem neuen Wachstumsegment“, verrät die Industriewerber-Stimme. Denn rund 94 Prozent der Kunden sind an „Bioprodukten interessiert“. „Ökonomie und Ökologie gehen hier Hand in Hand“, weiß Geschäftsführer Blumenberg und will wissen, ob es dem Kundenpotential und Testpaar Nölle geschmeckt hat. kat

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