: Filmfest Hamburg
■ Hamburger Filmproduktionen
Für Hamburger Kinoproduktionen ist dieses kein gutes Jahr. Und so läuft beim Filmfest nur ein Hamburger Kinofilm: Hark Bohms Für immer und immer. Dafür kann man in der Reihe „TV made in Hamburg“ sechs hiesige Fernsehfilme, bevor sie über den Bildschirm laufen, vorab auf der Leinwand sehen. Aber ein Ersatz für gelungene Kinofilme ist das keineswegs. Eine Szene in Richard Hubers Rendezvous des Todes geht so: Man sieht die beiden Hauptfiguren, ein junges Paar, an der Alster stehen. Schnitt. Dann wirft er, wieder zu Hause, einen Hummer in den Kochtopf. Damit ist alles gesagt, was Richard Huber in seinem Beitrag für die ARD-Reihe „Wilde Herzen“ von der Alster will: Er braucht sie als Vorspeise zum Hummer, als Kulisse für ein guten Lebens.
Wenn es ernst wird, dann geht es an die Elbe. So muß Karoline Eichhorn feststellen, daß ihr Filmgatte (Max Tidof) durchaus seelische Abgründe besitzt und fortan ist sie immer wieder am Fluß zu sehen. Und das macht dieses TV-Spiel symptomatisch für deutsche Serien: Die Alster steht für eine erfolgreiche, establishmentnahe Lebensführung, an der Elbe aber tobt das schwierige, abgründige Leben. Wohl keine andere Stadt ist so sehr auf so fest verortete Klischees festgelegt wie Hamburg. Da macht auch die Filmfest-Reihe keine Ausnahme.
In der ARD-Serie Die Gang, deren Pilotfilm das Filmfest zeigt, geht es um knallharte Geschäfte, schwere Verbrechen und starke Männer. Klar, daß sie zu einem großen Teil im Hamburger Hafen spielt. Nun ist Regisseur Hajo Gies ja gar nicht mal ein schlechter seines Fachs, immerhin hat er die Schimanski-Tatorte gedreht, aber mit dem Hafen weiß er wenig anzufangen. Man sieht Schiffe und Kräne, doch das alles könnte genausogut an jedem anderen großen Hafen der Welt spielen.
Nun muß man ja in cineastischen Dingen nicht unbedingt Lokalpatriot sein. Aber ein bißchen weh tut es doch. Anstatt Hamburg immer aufs Neue zu entdecken, wird es vom deutschen Fernsehen gerade totgedreht. Was die deutschen Fernsehfilme betrifft, könnte man 95 Prozent Hamburgs abreißen. Sie kommen sowieso nicht vor.
Eine Ausnahme bildet da allein Lars Beckers Landgang für Ringo, sowieso mit Abstand der sehenswerteste Film der Reihe. Alster? Elbe? Gibt es bei Becker nicht. Statt dessen sieht man die Sozialwohnungssilos, man sieht häßliche Betonbauten, an denen die Graffiti das Lebendigste darstellen. Schön ist Hamburg in diesem Film nicht. Manchmal wirkt es geradezu unbewohnbar. Aber gerade deshalb wird es hier zu einer Seelenlandschaft. Lars Becker beutet, wie schon in seinem früheren Film Schattenboxer, die Stadt nicht einfach aus. Er inszeniert sie. Davon würde man gerne viel mehr sehen. Alster, Elbe und Hafen dagegen sollte man mittlerweile wohl leider zum filmischen Sperrgebiet erklären.
Dirk Knipphals
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