: Red- und Sangesseliges
■ „Irische Nacht“ mit Harry Rowohlt im Literaturhaus
Soviele Irlandphile strömten am Freitag ins Literaturhaus zur Irischen Nacht, daß nicht alle den Vorlesesaal bevölkern konnten und ein Großteil sich zunächst in das Bistro im ersten Stock verlagern mußte. Dort machte man dann die Erfahrung, die verschiedenen Lesungen per Lautsprecher aufs Akustische reduziert verfolgen zu müssen. Dafür ergab sich die Beobachtung der akustischen Beobachtungen anderer Eingeschlossen-Ausgeschlossener. Und das andächtige Lauschen in den eigentlich zur Kommunkikation bereitgestellten Räumen erzeugte eine nicht alltägliche, leicht groteske (“irische“?) Atmosphäre.
Den Lesereigen eröffnete der sympathische Colum McCann (“I'm nervous, I've never seen such a crowd before“), der eindringlich-unaufdringlich Passagen aus seinem Roman Der Gesang der Koyoten vortrug, die Geschmack auf mehr machten. Und bei Stellen wie „The silence at our dinner-tables doubled and redoubled itself“ sahen sich Gäste überraschend der Selbstbeobachtung ausgesetzt.
Anschließend gab Harry Rowohlt, Ire im Geiste, die von ihm übersetzte, witzgesättigte Kurzgeschichte Die Plage mit den Plagiaten von Nina Fitzpatrick (“Normalerweise übersetze ich keine Frauen“) zum besten und stellte seine Entertainerqualitäten auch beim Rezitieren aus Frank McCourts Die Asche meiner Mutter unter Beweis.
Die Leitung des Abends hatte der im selbstgewählten Hamburger Exil residierende Terry McDonagh übernommen. Diese Aufgabe erledigte er höchst entspannt, manchmal vielleicht ein bißchen zu red- und sangesselig (“Es ist so toll hier, so aufregend“). Auch er trug eigene lyrische Zeilen vor, wobei er ein wenig vom Poetischen ins Pathetische zu driften neigte. Ähnlich wie sein Übersetzer, der sich aber weniger jovial denn pastoral gab.
Durchsetzt waren die Leseblöcke mit den Sound Pictures von Frank Corcoran, die eher „unirische“, da nicht-folkloristische, experimentelle Geräuschsequenzen darstellten.
Dezidiert „typisch irisch“ hingegen wieder Harry Rowohlt, der coole Altrocker im Bereich „Irische Literatur in deutschen Ländern, der, spaßige Kurzprosa von Flann O'Brien rezitierend und diverse Alkoholika irischer Herkunft (“sui guinessis“) ausgiebig konsumierend, den Abend erwartungsgemäß feucht-fröhlich begoß und beschloß.
Christian Schuldt
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