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„Ein Knebelvertrag“

■ Einzelhändler sind wütend über neuen Tarifabschluß und beklagen den „Eiertanz“ bei den Verhandlungen

„Da kann man nicht meckern“, so wertet Wolfgang Brakhane, Geschäftsführer des Einzelhandelsverbandes Nordsee, den Tarifabschluß im Bremer Einzelhandel. Doch was da jetzt für insgesamt 750 Verbandshändler festgeschrieben wurde, ist für Luperti-Inhaber Otto Heitmann „ein klarer Knebelvertrag“. Zuschläge für Arbeit nach 18.30 Uhr und an Samstagen setzten die Gewerkschaften durch. Und 1,85 Prozent mehr Lohn und Gehalt rückwirkend ab 1. Mai. Für Arbeitgeberführer Norbert Caesar war das immer „ein Ding der Unmöglichkeit“. Die Stimmung der Einzelhändler gibt ihm recht: „Nicht zu bezahlen“, erklärt Händler Heitmann lapidar. Wenn ab 1. November die Läden länger offen sind, klagt auch Fachhändler Peter Schöler, „stehen wir schlecht da.“

Erstmal verdauen muß Luperti-Chef Heitman den neuen Tarifvertrag. „Wenn die mich so knebeln, dann trete ich aus“, warnt er. Genau diese Reaktion hatte Verhandlungs führer Caesar immer wieder vorausgesagt – aber doch dem Druck der Gewerkschaften nachgegeben. „Ich schaue mir den Vertrag genau an. Aber wenn ich die Zuschläge nicht durch Freizeit ausgleichen kann, dann spiele ich da nicht mit“, prophezeit der Händler, der im Steintor am Ziegenmarkt „schon harte Zeiten hinter sich hat.“ Bevor das Weihnachtsgeschäft losgeht, sieht Heitmann harte Verhandlungen mit seinen zehn Mitarbeitern voraus. Die größeren Geschäfte, da ist sich der Luperti-Inhaber sicher, stünden eindeutig besser da.

Tatsächlich fällt für das Modegeschäft Harms am Wall der Tarifabschluß nicht ganz so bitter aus, erklärt Axel Börgers. Statt lauthals über die eingeknickte Arbeitgeber-Tarifkommission zu schimpfen, zeigt sich der Verkaufsleiter „lieber hanseatisch diplomatisch“. Statt zu jammern, will Börgers jetzt endlich Arbeitszeit-Modelle für seine 89 Mitarbeiter entwicklen – und zwar für jede einzelne Abteilung: Damit Kunde König täglich von 10 bis 20 Uhr und an Samstagen shoppen gehen kann. „Doch um den Tarifvertrag überhaupt zu verstehen, müßte eigentlich jeder Händler eine eigene Rechtsberatung bekommen“, klagt er. „Die haben da was weggenommen und hier was dazugetan. Das ist ein einziger Eiertanz“, übt Börgers vorsichtig Kritik: Fünf Monate hätten sich die Arbeitgeber mit den Gewerkschaften einen Verhandlungsmarathon geliefert, „für solche Kleinigkeiten“.

„Kleinvieh macht auch Mist“, kontert dagegen Wolfgang Brakhane, Geschäftsführer des Einzelhandelsverbandes Nordsee. Zwei zuschlagsfreie Samstage hätten die Arbeitgeber erkämpft, „das ist doch schon was.“ Kein anderes Bundesland hätte so etwas erstreiten können, „außerdem läuft unser Tarifvertrag schon Ende 1997 aus.“ Daß die Händler jedoch im Gegenzug eine 100prozentige Lohnfortzahlung im Krankheitsfall verkraften müssen und eine Lohn- und Gehaltserhöhung von 1,85 Prozent rückwirkend zum 1. Mai, erwähnt Brakhane nicht. Und genau das bringt die Händler in Rage: „Erst streiten sich die Arbeitgeber deshalb ewig mit den Gewerkschaften rum. Und dann schieben sie es uns doch „en bloc“ als Belastung rein“, klagt Luperti-Einzelhändler Heitmann. Aber Brakhane bleibt dabei: Im Vergleich zu allen anderen Bundesländern, „haben wir den besten Abschluß gemacht.“ Da habe man „im Reigen der anderen Länder einfach keine andere Möglichkeit gehabt.“

Ab 1. November müssen die Händler jetzt gute Miene zum bösen Spiel machen. Fachhändler Schöler will seine sechzehn Mitarbeiter als Ausgleich für lange Arbeitstage von 9.30 Uhr bis 20 Uhr alle zwei Wochen einen Tag freigeben. Aber letztlich wird Kunde König entscheiden, „ob wir mit längeren Öffnungszeiten mehr Umsatz machen.“ In einem jedoch sind sich die Händler einig: Kein einziger Mitarbeiter wird durch das neue Ladenschlußgesetz neu eingestellt. „Wir haben seit Jahren unser Personal abgebaut“, erklärt Axel Börgers vom Harms-Modehaus. Ob durch die längere Öffnungszeit tatsächlich mehr Geld in die Kasse gespült wird, „oder es einfach nur zu Umverteilungen kommt“, das bleibe jetzt abzuwarten. Luperti-Händler Heitmann will lieber sofort Nägel mit Köpfen machen: „Wenn für mich nichts übrig bleibt, mache ich meine Tür eben zu.“ kat

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