: Ärmste zum Teil entschuldet
Finanzminister mindern auf Weltbanktagung Last für bis zu 20 Länder. Krisenkasse des Währungsfonds soll verdoppelt werden ■ Aus Washington Nicola Liebert
Am Samstag, unmittelbar vor der Jahrestagung der beiden Finanzinstitutionen Weltbank und Währungsfonds (IWF) trafen die Finanzminister und Notenbankpräsidenten der sieben Großen zusammen und stellten die Weichen für das Treffen: Erleichterung für die höchstverschuldeten Entwicklungsländer und mehr Mittel für den IWF im Krisenfall.
In den nächsten zwei Jahren sollen bis zu 20 Staaten insgesamt 7,7 Milliarden Dollar (11,55 Milliarden Mark) erlassen werden. Zunächst sollen sieben oder acht Staaten entschuldet werden, welche, wurde noch nicht bekanntgegeben. Darunter dürften sich aber Uganda, Sudan, Zaire, Burundi und Nicaragua befinden. Bei den letzten vier genannten liegt der Aufwand für Zins und Tilgung bei mehr als einem Viertel der gesamten Exporterlöse. Uganda gilt als Musterknabe für Wirtschaftsreformen in Afrika und würde nach Berechnungen der britischen Hilfsorganisation Oxfam jährlich 80 Millionen Dollar an Zinsen sparen.
Den Haupanteil der 7,7 Milliarden Dollar steuern die sieben reichsten Länder bei, organisiert in der G 7. Sie erlassen den 20 Ländern nach einer Prüfung von Fall zu Fall maximal 80 Prozent ihrer Schulden bei den G 7-Staaten. Das könnte insgesamt 2,5 Milliarden Dollar kosten. Die Weltbank soll 2 Milliarden, der Währungsfonds 1,2 und verschiedene regionale Entwicklungsbanken 2,1 Milliarden Dollar beitragen. Ansonsten klopfte man sich auf die Schultern, weil der IWF die Weltwirtschaft wieder auf Wachstumskurs sieht – für die Bundesrepublik prognostizierten die Fonds-Volkswirte 1,3 Prozent Wachstum in diesem und 2,4 Prozent im nächsten Jahr. Darüber hinaus waren Finanzminster Waigel und Bundesbankpräsident Tietmeyer stolz, ihren Kurs in Sachen europäischer Währungsunion bestätigt zu sehen: Auch die nicht-europäischen G 7-Länder hätten ein starkes Interesse an der maximalen Stabilität des Euro.
Größte Zurückhaltung übten die Mächtigen der Weltwirtschaft jedoch gegenüber allen Wünschen von IWF-Direktor Michel Camdessus nach mehr Geld. Die Mittel, die die sogenannte G 10 – ein Zusammenschluß von elf Industrieländern plus Saudi-Arabien – dem IWF zur Verfügung stellen, sollen zwar unter Einbeziehung weiterer Geberländer auf etwa 50 Milliarden US-Dollar verdoppelt werden. Aber Waigel betonte mehrfach, daß das Geld keinesfalls für die reguläre Geschäftstätigkeit des Fonds genutzt werden dürfe, sondern lediglich als „Reservetank“ für Notfälle.
Camdessus aber will mehr. Vor zwei Jahren, beim Jahrestreffen von Weltbank und IWF in Madrid, war er noch grandios gescheitert mit seiner Forderung, mehr Sonderziehungsrechte (SZR) für die seit der letzten SZR-Zuteilung neu dazugekommenen Länder zu schaffen, immerhin 38 an der Zahl. SZR sind die Kunstwährung des IWF, derzeit 1,45 US-Dollar wert.
Damit nicht genug. Die verfügbaren Mittel des Fonds sind auf 82 Milliarden US-Dollar geschrumpft. Allein die im Dezember 1994 ausgebrochene Finanzkrise Mexikos hat den IWF 18 Milliarden Dollar gekostet; Rußland wurden erst im April 10 Milliarden zugesagt. Camdessus will nun darauf hinwirken, daß die Einzahlungen der 181 Mitgliedsländer in den Fonds aufgestockt werden. 210 Milliarden Dollar sind es zur Zeit; mindestens zwei Drittel mehr will er haben, damit die Ausstattung des IWF im Verhältnis zur Weltwirtschaft gleich bleibt.
Die Hürden, die Camdessus für sein Vorhaben überwinden muß, werden von der US-Regierung aufgestellt. Sie hat traditionell größte Vorbehalte gegenüber allen internationalen Organisationen – vor allem wenn sie Geld wollen. Deutschland, so erklärte Waigel am Samstag, lege durchaus Wert auf eine solide Finanzausstattung des Fonds, doch sei eine Quotenerhöhung nicht entscheidungsreif just vor den Präsidentschaftswahlen in den USA.Kommentar Seit 10
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