: Ersatzkassen planen baldige Beitragserhöhungen
■ Gesundheitsminister Horst Seehofer spricht von „arglistigem Vorgehen“ und kündigt Gegenmaßnahmen an. Kassen befürchten „amerikanische Verhältnisse“
Hamburg (dpa) – Millionen Mitglieder mehrerer Ersatzkassen müssen noch in diesem Jahr mit drastischen Beitragserhöhungen rechnen. „Ich kann mir vorstellen, daß die Beiträge noch vor dem Jahresende um bis zu einem Prozent angehoben werden“, sagte gestern der Vorsitzende des Verbands der Angestellten-Krankenkassen, Karl Kaula, der Bild am Sonntag. Er begründete dies mit Milliarden-Zahlungen in den Risikostrukturfonds. Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) warf den Kassen umgehend „arglistiges Vorgehen“ vor und kündigte harte Schritte gegen Beitragserhöhungen an. Unterdessen setzten Gewerkschafter die Kritik an den Eckpunkten zur Gesundheitsreform in scharfer Form fort und warnten vor „amerikanischen Verhältnissen“ im Gesundheitswesen.
Nach einem Bericht des Hamburger Abendblatts wollen u.a. die Barmer Ersatzkasse (BEK), die Schwäbisch-Gmünder, die Techniker Krankenkasse sowie Betriebskrankenkassen voraussichtlich zum 1. Dezember ihre Beiträge um bis zu einem Prozentpunkt anheben. Dem Blatt bestätigte die Schwäbisch-Gmünder, daß der Verwaltungsrat im Oktober über eine Beitragssatzerhöhung von 12,9 auf 13,7 Prozent noch in diesem Jahr entscheiden werde. Die BEK räumte ebenfalls solche Überlegungen ein. „Es wird aber auf keinen Fall eine Erhöhung des Beitragssatzes von 13,5 auf 14,5 Prozent geben“, sagte BEK-Vorstandsvorsitzender Eckart Fiedler der Nachrichtenagentur dpa. Der Bundesverband der Betriebskrankenkassen und der Verband der Innungskrankenkassen wiesen den Zeitungsbericht zurück. Die Kassen planten derzeit keine Beitragserhöhungen, sagten ihre Sprecher.
Nach Angaben von Fiedler sind die Angestellten-Krankenkassen mit zusammen rund 15 Milliarden Mark im Jahr 1996 die „Zahlerkassen“ in dem Risikostrukturausgleich zwischen reichen und armen Kassen. Eine Beitragserhöhung sei deshalb möglich, müsse aber vom Bundesversicherungsamt genehmigt werden.
Seehofer betonte, das Bundesversicherungsamt werde sich der betreffenden Kassen annehmen. Außerdem werde er die Gesetze zur geplanten nächsten Gesundheitsreform so formulieren, daß den Kassen Beitragserhöhungen extrem erschwert werden. Er warf ihnen vor, seit Jahren Geld für überflüssige Leistungen hinauszuwerfen und die Verantwortung dafür dann der Politik zuzuschieben. Daß die Kassen erst jetzt mit ihren Plänen für eine Erhöhung herausrückten, kritisierte er vor allem angesichts der heute auslaufenden Kündigungsfrist für einen Kassenwechsel zum kommenden Jahr.
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