Stillen als Weltkultur – auch in der taz

■ Lobby für mehr Stillkultur / Was die Weltstillwoche mit der „Oldie-taz“ zu tun hat

Klein-Toni kann mit Alete-Gläschen nichts anfangen. Ihr Mäulchen sperrt sich nur auf, wenn sie Mamas Busen sieht, aber nicht, wenn sich ein wohlmeinendes Löffelchen mit Bio-Möhrenbrei nähert. Was passiert, wenn Klein-Tonis Mama arbeiten geht? Muß Klein-Toni sich nun doch mit Tagesmutter und Fertigbrei anfreunden oder darf Mama sie einfach mit zur Arbeit nehmen, sich ungeniert hinterm Schreibtisch den Pullover hochkrempeln, sie mit gesunder Busenmilch nähren und danach wieder hilfsbereiten KollegInnen zum Bespielen in den Arm drücken – und ihren Artikel zu Ende zu schreiben?

Gestern hatte „Alete“ schlechte Karten, und die „Stillkultur“ gute. Gestern durfte Klein-Toni mit zu Arbeitsplatz und Busen. Gestern wurde auch keine normale, sondern eine „Jubiläums-Taz“ produziert. Und – gestern wurde ganz im Stillen die „Stillkultur“ in der Stadt animiert: Die Weltstillwoche war ausgerufen. Äußerlich höchstens zu erkennen an den einschlägigen Auslagen einiger Buchläden mag sich das Wirken etlicher Stillberaterinnen und -gruppen bis in die taz bemerkbar gemacht haben. Und so konnte dieser Artikel geschrieben werden:

„Wir wollen, daß die Frauen, die stillen wollen, auch stillen können. Und daß Schnuller, Sauger und Fläschchen nicht als selbstverständlicher Zubehör zum Baby betrachtet werden“, so faßt Utta Reich-Schottky kurz das Ziel ihrer Organisation zusammen. Die Bremerin ist Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Freier Stillgruppen. Und kooperiert vor Ort mit der Ortsgruppe der (weltweit operierenden) „La Leche Liga“. Beide Organisationen zusammengenommen leiten in Bremen und umzu rund zehn Stillgruppen an (Tel. 372454, 561183, 2768761). Sie haben sich vor allem der direkten „Mutter-zu-Mutter“-Beratung verschrieben, um Frauen wirksam bei Stillproblemen zu unterstützen.

Mindestens ein Jahr lang muß eine Frau ein Kind gestillt haben, um sich bei der LLL als Stillberaterin zu bewerben und ausbilden zu lassen. Gitta Hülsmeier, Bremer Stillberaterin der La Leche Liga, ist diesen Weg gegangen und betont: „Wir verteufeln die Flaschenmütter nicht. Ich selbst war auch einmal eine.“ Mangels Unterstützung habe sie ihren ältesten Sohn (inzwischen 18 Jahre) nur wenige Wochen gestillt und jahrelang „eine Traurigkeit“ empfunden, wenn sie eine andere Frau mit Baby am Busen sah. Bei ihrem zweiten Sohn wußte sie eine Stillberaterin an ihrer Seite und diesmal versiegte die Milch nicht. – Utta Reich-Schottky von den Freien Stillgruppen über ihre persönliche Motivation für das Ehrenamt: „Ein Kind ohne Industrie ernähren zu können und eine enge Beziehung zu einem Kind zu erleben.“ Sie kämpft für mehr „Stillkultur“ und die ist für sie erst erreicht, „wenn in keinem Krankenhaus, auch hier in Bremen, das Glukosefläschen mehr neben dem Kinderbettchen steht.“ Und wenn keine Mutter mehr sechs Wochen nach der Geburt gefragt wird: „Du stillst immer noch?“ Barbara Debus

heute: stillende Mutter in Babelsberg