: Amok auf Umwegen zur deutschen Einheit
■ Antimilitaristisches Oberjubel-Komitee muß Demoroute am 3. Oktober ändern
Auf der Straße Unter den Linden wird am 3. Oktober nun doch das von der Wiesbadener TV-Produktionsgesellschaft LiveLine veranstaltete „Deutschlands-Fest“ durchgeführt. Das Antimilitaristische Oberjubel-Komitee (Amok) wird dagegen vom Alex zum Märchenbrunnen im Volkspark Friedrichshain ziehen. Die Straßenverkehrsbehörde hatte dem „Deutschlands-Fest“ den Vorrang gegeben, obwohl die Amok-Demonstration Monate früher angemeldet war (taz berichtete). Das Verwaltungsgericht hat am Donnerstag jedoch eine Beschwerde des von über 350 Einzelpersonen und Initiativen getragenen Demobündnisses zurückgewiesen.
Das Gericht kam zu dem Ergebnis, daß auch das kommerziell geprägte „Deutschlands-Fest“ eine politische Veranstaltung sei, da es unter der staatlichen Schirmherrschaft von Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth steht. „Jede Demonstration, die dem Senat nicht paßt, kann nach diesem Urteil verhindert werden“, kritisierte gestern Wolfgang Kröske, Sprecher des Demonstrationsbündnisses. Der regierende Bürgermeister müsse nur noch einen privaten Veranstalter beauftragen, mit einem Bierwagen die Demoroute abzufahren und dafür die Schirmherrschaft übernehmen. Der PDS- Abgeordnete Freke Over kündigte ein parlamentarisches Nachspiel an. PDS und Bündnis 90/ Die Grünen erwägen, eine Folgeklage des Veranstalters zu unterstützen.
Am Brandenburger Tor, dem ursprünglich geplanten Startplatz der Demonstration, ist es dem Kabarettisten Kröske, alias Dr. Seltsam, nur noch gestattet, die aus der gesamten Bundesrepublik anreisenden Demonstrationsteilnehmer auf die neue Route hinzuweisen. Der eigentliche Umzug wird dann erst um 12.30 Uhr am Alex starten. Trotz der politischen Niederlage attestierte der Kabarettist auch den Veranstaltern des „Deutschlands-Festes“ Sinn für Humor: „Typisch für Berlin ist die Korruption“, meinte Seltsam. Bestes Beispiel hierfür sei der ehemalige Geschäftsführer der Olympia GmbH, Axel Nawrocki. Berlin wird auf dem „Deutschlands-Fest“ durch einen auf einen Tieflader gestellten S-Bahn-Zug vertreten. Nawrocki ist heute Geschäftsführer der S-Bahn GmbH. Gereon Asmuth
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