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Ost-West-Streit bei ÖTV

■ Gegenseitige Schuldzuweisungen wegen zu niedrigen Tarifabschlusses

Stuttgart (dpa) – Die schärfste Drohung kam aus Sachsen-Anhalt: Es gebe Überlegungen, eine Ostgewerkschaft zu gründen. Das wäre für die ÖTV allerdings tödlich, sagte die Rednerin Heike von Gardolewksi auf dem Bundeskongreß in Stuttgart. Aber auch wenn ostdeutsche Mitglieder der zweitgrößten DGB-Gewerkschaft diese Gefahr erkannt haben, sparten sie bei der Aussprache über den Rechenschaftsbericht des Vorsitzenden Herbert Mai nicht mit heftigen Angriffen. Der Grund: Der Tarifabschluß vom Juni, nach dem sie immer noch ein Sechstel weniger verdienen als ihre Westkollegen.

Sie fühlen sich als Arbeitnehmer zweiter Klasse. Auch westdeutschen Delegierten platzte der Kragen: Sie hätten nach der Wiedervereinigung ebenfalls „bluten“ müssen und wegen der Einbeziehung der Ostler Abstriche bei ihrer Gehaltsentwicklung gemacht. Jetzt sei die Solidarität der Ostdeutschen gefordert, um die Lohnfortzahlung zu verteidigen.

Ein Delegierter ermahnte den Kongreß, bei den Vorstandswahlen Geschlossenheit zu zeigen. Die Wiederwahl des Vorsitzenden Herbert Mai galt zwar weiterhin als sicher. Aber es ist nicht ausgeschlossen, daß Vorstandsmitglieder zur Strafe für den Abschluß ein schlechtes Stimmergebnis bekommen.

Der Vorsitzende versicherte den rund 650 Delegierten, daß die Angleichung der Lebens- und Arbeitsbedingungen weiterhin ein zentraler Inhalt der ÖTV-Politik sein werde. Mai erteilte den Forderungen aus den neuen Ländern nach getrennten Tarifverhandlungen eine Absage: „Gemeinsam erreichen wir mehr.“ Eine Absage erhielten auch Anträge aus Ostdeutschland, die Frauenquote auf eine Soll-Regelung zurückzustufen. Dort läge der Organisationsgrad der Frauen bei zwei Drittel, ihr Engagement in den Gremien aber deutlich darunter, deshalb blieben Posten frei. Die ÖTV hat seit vier Jahren eine verbindliche Quote, wonach Frauen in allen Gremien entsprechend ihrer Mitgliederstärke vertreten sein müssen.

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