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Talent auf Urlaub

■ Der europhile Robyn Hitchcock als Solist

Treffen sich Lloyd Cole, Ry Cooder und Nico am Sterbebett von Syd Barret und singen. Was kommt dabei heraus? Moss Elixir, die neue Platte von Robyn Hitchcock. Ist das jetzt ein Kompliment? Eindeutig nein! Denn die zwölf Songs auf seiner mittlerweile 15. Platte sind eine triefnasige und weinerliche Version seiner ehedem furiosen Rockmusik.

Als Hitchcock nach der Auflösung der Soft Boys seine hitchcockzentrierte Variation des euphorischen Rocksongs mit den Egyptians entwickelte, sammelten sich dabei Stücke an, die für lange Konzertabende mit der Jubeljugend gut waren, auch wenn ihm der Stadionerfolg anderer amerikanischer Bands derselben Qualitätsmarke stets versagt blieb.

Das lag vielleicht auch an seiner teilweise merkwürdigen Art Texte zu schreiben, deren Anspielungen junge amerikanische Menschen ohne Abitur nicht immer verstanden. Auch auf seiner neuen Solo-Platte weidet sich Hitchcock, ein ausnehmend europhiler Kalifornier, am Kulturgut der alten Welt. In „De Chirico Street“ stellt schon der Titel die Frage, die ein CD kaufender Surfidiot nur mit „De What?“ beantworten wird, und auch ein Titel wie „Heliotrop“ über eine Sonnenanbeterin gibt mit dem Duktus des Klugmanns dem gewöhnlichen Plattenfreund den Laufpaß.

Dagegen wäre ja auch nichts zu sagen, wenn denn die Musik gut wäre. Aber außer in „De Chirico Street“, wo Hitchcock wunderbar falsche Bläser zu einer Schrabbelgitarre mixt, hat diese Platte so viel Originalität wie ein Best-Of-Album von R.E.M.. Auch das wäre verzeihlich, wenn nicht aus jeder Akkordfolge, jedem Celloeinsatz, jeder angeschrägten Melodielinie der Anspruch hervorstöhnen würde, mal etwas ganz besonderes zu machen.

Leider Fehlanzeige: Moss Elixir klingt wie Talent auf Mutter-schaftsurlaub. Ganz beschäftigt mit sich selbst erzeugt die altbekannte Art des Songwriters die Einreihung in das Heer der Mütter, die ihr Baby für das niedlichste der Welt halten. Ein Abend für Schulterklopfer.

Till Briegleb

Di, 8. Oktober, 21 Uhr, Knust

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