Wenn der Augenblick gefriert

■ Helfen auf ganz eigene Art – Für „The Fan“ von Tony Scott betrieb Robert De Niro Vergangenheitsbewältigung

Fan kommt von fanatisch. Gil Renard (Robert De Niro) ist ein Baseballfan. Sein Lieblingsspieler ist Bobby Rayburn (Wesley Snipes). Die Formkurve von Bobby geht nach unten. Gil versucht zu helfen, auf seine Weise... Bobbys Formkurve geht wieder nach oben.

Nur ein Name: Gunter Parche. Der hatte damals gesagt, er wollte Monica Seles nicht ermorden. Er wollte nur, daß Steffi Graf wieder die Nummer eins wird. Das hat dann ja auch geklappt.

Diesmal mußte sich Robert De Niro keine 50 Pfund anfressen. Die Augenbraue ein klitzekleines Stückchen hoch, die Mundwinkel sanft flattern lassen, die Sprache minimal stocken. Tony Scott, Ridleys etwas schlichterer Bruder, hat Glück. Zum einen mit De Niro, der den Maniac gerade so weit raushängen läßt, daß er noch halbwegs glaubhaft bleibt. Zum anderen mit Wesley Snipes, der als Bobby Rayburn nicht nur seine Muskelpakete durch Umkleideräume trägt, sondern sich zum wiederholten Mal als guter Schauspieler outet.

Für „The Fan“ hat sich Snipes fast noch intensiver die Arbeitsweise von De Niro angeeignet als der Meister selbst. Einen Monat hat er mit Trainern an seiner Baseballtechnik gearbeitet. Auch sonst wurde auf dem sportlichen Sektor nichts dem Zufall überlassen. Als Berater wurde Cal Ripken jr. verpflichtet, der seit mehr als 14 Jahren 164 Spiele im Jahr bei seinen Baltimore Orioles spielt.

Die Baseballszenen sind äußerst gelungen. Scott hat seinen Kameramann von „Crimson Tide“ mitgebracht, Dariusz Wolski, dem man anmerkt, daß er vorher Musikvideos gedreht hat. Wenn die Kamera das erste Mal von oben in den Candlestick Park, das ausverkaufte Stadion der San Francisco Giants, taucht, ist tatsächlich jenes obskure Kribbeln zu spüren, diese Mischung aus Ablehnung und Anteilnahme an der Massenpsychose. Baseball ist ein ungeheuer altmodisches, langsames Spiel, dessen Leerlauf nur selten von wirklicher Aktion auf dem Spielfeld unterbrochen wird. Die großartigeren Momente aber sind meist andere, die nämlich, wenn das Spiel auf der Kippe steht, ein einziger Wurf, ein einziger Schlag entscheidet, und die Spannung, die sich dann über vielleicht drei Stunden aufgebaut hat, sich im Bruchteil einer einzigen Sekunde entlädt. Diese Momente fängt „The Fan“ in langen Zeitlupensequenzen ein, mit durchaus herkömmlichen Mitteln wie Nahaufnahmen der Gesichter der Spieler. Aber er läßt sich halt auch Zeit. Und Zeit, vertrödelte Zeit, ist eine der hervorstechendsten Eigenschaften von Baseball.

Darunter begraben dann eine Geschichte über verschiedene Möglichkeiten, den amerikanischen Traum zu träumen. Da ist der Schwarze, der durch den Sport den sozialen Aufstieg schafft. Da ist der weiße Vertreter, der in der Rezession seinen Job verliert. Aber das amerikanischste Bild ist jenes des Vaters, der mit seinem Sohn zum Baseball geht, der versucht, seine Leidenschaft für den Sport zu übertragen. Ein Bild, das in den letzten Jahren, als Baseball in der Krise steckte und die minderjährigen Anhänger an Basketball und Football, ja selbst an Eishockey, verlor, immer wieder beschworen wurde. Gute alte Zeiten, als die „National Pasttime“ noch wirklich der „nationale Zeitvertreib“ war, als die „Boys of Summer“ den Sommer beherrschten.

So wie der Zustand von Baseball sehr viel über den Zustand der Vereinigten Staaten sagen kann, so wenig erfährt man darüber in Tony Scotts Film. Denn Tony Scott hat im Gegensatz zum Baseball keine Zeit. Das furiose Tempo der Eingangssequenz, in der Szenen von drei Schauplätzen, davon zwei fahrende Autos, parallel montiert sind, ist für die gesamten 115 Minuten symptomatisch. Und Hans Zimmer, in Frankfurt geborener Oscar-Gewinner, ballert, was Sequenzer und Synthesizer hergeben.

Das Drehbuch hat seine Löcher. Warum dreht Renard durch, er ist nicht der erste, dessen Familie zerbricht, der seinen Job verliert. Aber anstatt auf das Gesicht von De Niro zu vertrauen, wird das penetrant mit Gitterschatten zugekleistert. Muß er seine Messer auf- und zuklappen lassen. Muß Mick Jagger „Sympathy for the Devil“ singen.

Was bleibt, ist ein Film, der zwar manchmal die Faszination von Baseball einfängt, aber leider selbst nichts von der klar strukturierten Einfachheit des Baseballs hat. Es bleibt ein Film, bei dem niemals die Zeit stillzustehen scheint. So, wie die Zeit stillsteht, wenn der pitcher auf dem Wurfhügel seinen Körper verwringt, der Augenblick in Erwartung gefriert, bevor der Baseball mit 150 Stundenkilometern Richtung batter zischt. Thomas Winkler

„The Fan“. Regie: Tony Scott. Mit Robert De Niro, Wesley Snipes, Ellen Barkin, USA 1996