: Unterm Strich
Alle Jahre wieder lädt die Frankfurter Buchmesse Berufene ein zum heftigen Phantasieren über den Niedergang der Buchkultur. Thomas Krüger (MdB, SPD) fürchtet, mit der Aufhebung der Buchpreisbindung verkomme die Ware Buch zum Luxusgut. Bundeskanzler Kohl mag ebenfalls keine verkommenen Luxusgüter. Er sprach sich für die Buchpreisbindung, aber gegen Kulturpessimismus aus. Den Kanzler umweht die Sorge um das Buch als „geistiger Partner des Menschen“. Die „ästhetischen Reize des Lesens“ sollten stärker hervorgehoben werden. Eine späte Würdigung erfährt der zeit seines Lebens eng mit Berlin verbundene jüdische Schriftsteller Georg Hermann anläßlich seines 125. Geburtstags am 7. Oktober. Mit einer Werkausgabe sowie einem Kolloquium im Berliner Literaturhaus sollen seine einst als Bestseller verkauften Romane wieder zugänglich gemacht werden. Der Verlag Das Neue Berlin hat in Zusammenarbeit mit dem Moses Mendelssohn Zentrum Potsdam und dem Fachbereich Germanistik der FU Berlin die ersten beiden einer auf 21 Bände ausgelegten Ausgabe bereits vorgelegt. Hermann gilt vor allem als Chronist des Lebens des jüdischen Bürgertums. Burkhard Spinnen erhält den mit mit 20.000 Mark dotierten Kranichsteiner Literaturpreis des Deutschen Literaturfonds. Spinnen erhält den Preis für sein „hintergründiges Bild des vergänglichen Alltags im Westen Deutschlands“, das er in seinem Roman „Langer Samstag“ sowie den Erzählungsbänden „Dicker Mann am Meer“ und „Kalte Ente“ entworfen hat. Zu den Juroren gehörten der Schriftsteller Dieter Wellershoff und der Kritiker Gustav Seibt, der von der „FAZ“ zur „Berliner Zeitung“ wechselt.
Im Streit um die Mitautorschaft des jüdischen Schriftstellers Peter Sichrovsky an der im Campus Verlag erschienenen Biographie des Vorsitzenden des Zentralrats der Juden,
Ignatz Bubis, hat sich nun Sichrovsky zu Wort gemeldet. Bubis habe sich erst nach Bekanntwerden seiner Kandidatur für die FPÖ, der Partei des österreichischen Rechtspopulisten Jörg Haider, über die mangelnde Qualität seiner Texte beklagt. Peter Sichrovsky, der mit Titeln wie „Wir wissen nicht, was morgen wird, wir wissen wohl, was gestern war“ bekannt geworden war, hatte sich vor zwei Monaten auf die FPÖ-Liste für die Europawahlen in Österreich am 13. Oktober setzen lassen. Bubis scheint es nun mehr als peinlich, mit Sichrovskys Politambitionen in Verbindung gebracht zu werden. Auseinandersetzungen mit Sichrovsky habe es aber wegen dessen journalistischer Arbeit gegeben. Bubis habe sich bereits nach Durchsicht der ersten Textentwürfe von seinem Co-Autor getrennt. Sichrovskys Name erscheint jedoch weiterhin auf dem Cover des Buches.
Russische Verleger haben auf der Frankfurter Buchmesse gegen Versuche der Regierung protestiert, das im Januar in Kraft getretene Gesetz über Massenkommunikationsmittel wieder abzuschaffen. Einige Politiker wollten mit der Rücknahme des Gesetzes Löcher im Staatshaushalt stopfen, sagte Marat Schischigin, der Präsident des Verlegerverbandes (ASKI). Das Gesetz enthält unter anderem Steuererleichterungen für Verlage.
Stephan Hermlin schweigt bislang zu den von Karl Corino erhobenen Vorwürfen einer Stilisierung seiner Biographie zu einer Heldensage. Johanno Strasser, Generalsekretär des westdeutschen PEN sieht gegebenenfalls Handlungsbedarf: „Ich könnte mir vorstellen, daß Hermlin sein Amt als Vizepräsident des internationalen PEN niederlegt.“ Strasser mahnte eine vorsichtige Bewertung der Rolle Hermlins an. Er habe seinerzeit in der DDR den Protest gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns organisiert. „Dabei hat er Rückgrat“ gezeigt."
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