: Eso es! Politik für Anfänger
Die Schulbehörde und wir: Wie ein Spanischkurs versuchte, an neue Lehrbücher zu kommen. Ein Lehrstück ■ Von Sonia Brauer (16)
Jugendliche Politikverdrossenheit? SchülerInnen im Freizeitpark Deutschland? Von wegen! Immer wieder versuchen kleine, tapfere, minderjährige Einheiten, sich mit allen Regeln der bürokratischen Diplomatie für ihre Rechte einzusetzen.
So zum Beispiel der Spanischkurs 10 der Otto-Hahn-Schule in Hamburg-Jenfeld. Angesichts auseinanderfallender Schulbücher („Schlagt bitte Seite 22 auf.“ – „Ich habe die Seiten 17 bis 23 nicht mehr!“ „Bei mir fehlt das ganze Kapitel!“) beschlossen die 15- oder 16jährigen, sich an ihre zuständige Senatorin Rosi Raab um Abhilfe zu wenden. Aber ach, sie scheiterten an den Regeln der diplomatischen Bürokratie... Hier ein Erfahrungsbericht.
Unsere lächerliche Bitte war es, die zum Teil neun Jahre alten Bücher, in denen vielfach Seiten fehlen, zu ersetzen. Auf eine schriftliche Anfrage unsererseits erhielten wir ein Antwortschreiben der Schulbehörde: Der Otto-Hahn-Schule (OHS) stünden noch 38.418,04 Mark zur Verfügung, wovon sie neue Bücher anschaffen könnte.
Die Summe erwies sich im nachhinein als falsch, was wir doch bitte mit Rücksicht auf die viele Arbeit in der Schulbehörde verzeihen mögen. Wir wandten uns an den Haushaltsexperten der OHS, aber der hatte leider schon alles Geld auf die einzelnen Fächer verteilt; für Spanisch fielen ganze 304,60 Mark ab.
Nach einem weiteren Schreiben an die Behörde erhielten wir nicht einmal mehr eine Antwort. Wir beschlossen, unserer Aktion persönlich Ausdruck zu verleihen und ließen uns einen Gesprächstermin in der 16. Etage des Behördenblocks in der Hamburger Straße geben. Frau Köhne, persönliche Referentin der Schulsenatorin, empfing unsere Delegierte sehr freundlich und war überhaupt ganz sympathisch. Hinter ihrer auskunftsfreudigen Fassade verbargen sich allerdings nur ein paar Standardargumente.
Auf die Frage, ob sich Frau Raab mit all ihren Mitteln für „ihre“ SchülerInnen einsetzt, antwortete Frau Köhne mit einem deutlichen Ja, „schließlich spart ja kein Senator gerne!“ Zuständig für die Geldverteilung an den Schulen sei sie allerdings nicht – die seien so autonom, daß sie über die (nicht-) vorhandenen Mittel selbst entscheiden könnten. Im übrigen habe die Stadt sowieso kein Geld, im Gegenteil.
Fazit: Der Senat will Hamburg nicht noch weiter für Bildung verschulden. Frau Köhne appellierte an uns, doch einmal „über den Tellerrand zu gucken“ und zu sehen, wo in anderen Bereichen noch überall gespart wird.
Die Schulbehörde fühlt sich nicht verantwortlich, aber wer dann? An wen können sich Schüler in unserer Situation wenden, wenn nicht an die Schulbehörde? Beim Blick über den Tellerrand stellte sich wie von selbst die Frage, ob nicht die an allem Schuldigen in Bonn sitzen.
„Natürlich“, war die erleichterte Antwort im SPD-regierten Hamburg. Aber sollten wir nach Bonn fahren? Frau Köhne fand das auch nicht, verriet nur noch eines: „Die zur Verfügung stehenden Lernmittel hängen auch vom Protest der Eltern und Schüler ab.“ Eine Ausnahme machen und einen Sonderbetrag zur Verfügung stellen, sagte sie, könne sie auch nicht. „Einen Scheck über 1000 DM für 30 neue Spanischbücher auszustellen, steht nicht in meiner Macht.“
Dennoch könnten wir uns selbstredend jederzeit bei allen auftretenden Mängeln nicht nur an den Schulleiter, sondern auch an die Schulbehörde wenden. Den Tip werden wir unbedingt weitersagen.
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