: Ein Bumerang für Birmas Regierung
Nach den jüngsten Massenverhaftungen dürfen Regierungsangehörige nicht mehr in die USA einreisen, und die Asean-Staaten stellen die bisherige enge Zusammenarbeit in Frage ■ Aus Bangkok Jutta Lietsch
Künftig können Birmas Generäle ihre Kinder und Gattinnen nicht mehr zum Shopping oder Disneyland-Besuch nach Amerika schicken, während sie selbst zu Hause ihr Unwesen treiben: US- Präsident Bill Clinton hat am Donnerstag ein Einreiseverbot für birmesische Regierungsangehörige und ihre Familien erlassen.
Damit reagierte Washington auf die Massenverhaftungen vom vergangenen Wochenende in Rangun. Offiziell sind 573, nach Angaben der Oppositon aber rund 800 Personen festgenommen worden. Clinton forderte die birmesische Junta zugleich auf, „sofort und bedingungslos“ alle Festgenommenen freizulassen und sich mit den Führern der demokratischen Oppositon und der ethnischen Minderheiten an einen Tisch zu setzten.
Für die Generäle in Rangun mag dieses dieses Besuchsverbot unangenehm, aber zu verschmerzen sein. Empfindlicher treffen könnte sie ein Wirtschaftsembargo, das in dieser Woche im US- Kongreß debattiert worden ist. Es soll in Kraft treten, falls die Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi verhaftet wird oder die Unterdrückung sich auf andere – nicht genau definierte – Weise verschärft.
Dazu kommt, daß Vertreter von Menschenrechtsgruppen in San Francisco am Donnerstag eine Klage gegen die Ölgesellschaften Unocal und Total eingereicht haben. Der Vorwurf gegen die beiden amerikanischen und französischen Firmen, die zu den wichtigsten Investoren in Birma zählen und mit der birmesischen Junta und staatlichen Erdölgesellschaft zusammenarbeiteten: Für ihre Erdgas-Pipeline würden ganze Dörfer zerstört, die Bewohner vertrieben, mißhandelt oder zu Zwangsarbeit verpflichtet. Die Klage wurde stellvertretend für 15 Mitglieder des Karen-Volkes erhoben, die noch in Birma leben.
Die neue, offene Repressionswelle könnte sich nun für die Junta als Bumerang erweisen: Zum ersten Mal haben auch Mitglieder der Asean, vorneweg die Philippinen, ihre enge Zusammenarbeit mit Rangun in Frage gestellt. Die Vereiniung südostasiatischer Länder ist wichtigster Geschäftspartnerr und politischer Unterstützer der birmesischen Regierung. Bislang haben ihre Politiker – gegen alle Kritik aus dem Ausland und asiatischer Menschenrechtler – am Prinzip der gegenseitigen „Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten“ festgehalten.
Am Mittwoch kündigte der philippinische Präsident Fidel Ramos an, die sieben Staats- und Regierungschefs der Asean würden bei ihrem Gipfeltreffen im November darüber nachdenken, ob die bisher gepflegten regen politischen und wirtschaftliche Beziehungen („konstruktives Engagement“) weiterhin angemessen sind. Das ist, diplomatisch verbrämt, eine ernste Warnung an die Junta.
Bislang haben vor allem der malaysische Premier Mahathir und Indonesiens Präsident Suharto sich für einen baldigen Beitritt Birmas in die Asean ausgesprochen. Singapur, Vietnam und Brunei halten sich bedeckt. Die thailändische Regierung schwankt zwischen dem Interesse an lukrativen Geschäften mit Birma und der Furcht davor, daß noch mehr Menschen vor der Repression und Armut aus dem Nachbarland über die Grenzen fliehen. Über 700.000 Birmesen leben schon, meist illegal, in Thailand.
Für die birmesische Opposition war die die Verhaftungswelle zu diesem Zeitpunkt vielleicht ein – bitteres – Glück im Unglück. „Die internationale Gemeinschaft sieht jetzt ein, daß SLORC (die Junta) schlimmer wird und nicht besser“, sagte Aung San Suu Kyi am Mittwoch.
In den letzten Wochen hatten immer mehr ausländische Zeitungen und Exilbirmesen davon gesprochen, die „Nationale Liga für Demokratie“ sei eingeschüchtert und gespalten und die Friedensnobelpreisträgerin hinter ihrem Gartenzaun wisse nicht mehr weiter. Die Oppostion sei am Ende. „Reicht es Ihnen nicht, daß sich so viele Menschen verhaften lassen?“ fragte Aung San Suu Kyi jetzt entnervt. „Was sollen wir Ihrer Meinung nach tun? Wollen Sie, daß wir auf den Straßen sterben?“ Nach den Massenverhaftungen vom vergangenen Wochenende hatte sich die birmesische Oppositionsführerin aus ihrem Haus geschlichen und war zu einem heimlich organisierten Treffen mit ausländischen Journalisten erschienen.
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