: Uerdingisierung in Duisburg
Trotz des deutlichen 3:0-Sieges gegen den 1. FC Köln will im Stadion des MSV Duisburg keine rechte Begeisterung aufkommen ■ Aus Duisburg Christoph Biermann
Verdammt noch mal, immer liegt es nur an den anderen. Thorsten Wohlert konnte es nicht mehr hören, Stefan Emmerling auch nicht, und Oliver Westerbek verdrehte ebenfalls die Augen. Jetzt hatten sie klar und deutlich gegen den 1. FC Köln mit 3:0 gewonnen, da bekamen sie schon wieder vorgesetzt, daß der Gegner aber wirklich einen hundsmiesen Tag erwischt hatte. „Das war bei unserem Sieg gegen Bremen so, vor einer Woche nach dem 1:1 in Hamburg und jetzt schon wieder“, maulte Libero Westerbek. Und Emmerling, der im Spiel zuvor so ziemlich jeden Zweikampf gewonnen hatte, klagte: „Wenn man unten steht, heißt es nach Siegen wohl immer, daß der Gegner schlecht war.“
Nun spielte der 1. FC Köln am Samstag im Wedaustadion allerdings auch wirklich so schauerlich, daß sein ziemlich erschütterter Trainer Peter Neururer feststellen mußte: „Wir waren heute nur anwesend.“ Ohne die zu einem Länderspiel abgeordneten Rumänen Vladoiu und Munteanu kickten die Kölner lahm und einfallslos. Dabei zeigten sie, so Neururer, „ein Gesicht, daß ich von der Mannschaft noch gar nicht kannte“ – Charaktermaske quasi. Als wollte der Nigerianer die Leistung seiner Mannschaft in einem schlüssigen Bild zusammenfassen, setzte Sunday Oliseh nach einer halben Stunde einen Freistoß aus fünfundzwanzig Metern, fünf Meter neben und zehn Meter über das Tor.
Also war doch wieder nur der Gegner des MSV schlecht? Nicht allein. Nach den ausbleibenden Erfolgserlebnissen des Wir-suchen- unser-Heil-in-der-Offensive-Fußballs zu Saisonbeginn, hat die Duisburger Mannschaft zu erdverbundenem „dem Gegner möglichst wenig Möglichkeiten geben“ (Trainer Funkel), „es geht nur über Kampf“ (Westerbek), „Zweikampfstärke und Aggressivität“ (Emmerling) und „wir müssen halt machen, was wir können“ (Wohlert) zurückgefunden. Eher defensiv ausgerichtet ist die ganze Sache selbstverständlich. Abwarten, was der Gegner macht, und bei Gelegenheit vorn zuschlagen. „Es gibt eben nicht viele Mannschaften in der Bundesliga, die das Spiel machen können“, meint Stefan Emmerling. Und der MSV Duisburg gehört kaum dazu.
Nur, so richtig schön anzusehen ist das halt nicht. So lag trotz des ungefährdeten Sieges eine geiwsse Tristesse über der Wedau. Das Ganze deutet nach der Wattenscheiderisierung ihres Spiel unter der Regie der Proto-Wattenscheiders Hannes Bongartz beim MSV Duisburg wohl die Uerdingisierung durch den Proto-Uerdinger Friedhelm Funkel an. Was bedeutet: Mit geringen Mitteln ordentlichen Fußball spielen lassen – und keiner weiß, was er damit anfangen soll. Das seit fast drei Jahren durch eher müden Fußball geplagte Publikum kommt jedenfalls nur noch in eher bescheidener Zahl – obwohl einige tausend Kölner im Wedaustadion waren, wurden am Ende gerade 18.700 Besucher gezählt –, und die MSV-Fans sind so lethargisch wie kaum andere in der Bundesliga. Seit die „Supertruppe“ (Thorsten Wohlert) mit Közle und Weidemann unter der Ägide von Ewald Lienen die Bundesliga erst durcheinanderwirbelte und dann abstürzte, ist die Stimmung unten. An der „sehr kritischen Haltung des Publikums“ (Wohlert) hat nach dem äußerst trüben Wiederaufstieg mit Bongartz und Funkel auch der eher mäßige Saisonstart wenig geändert.
Am Samstag zerriß nur der dröhnende Ruf, „Der Eismann ist da“, die bleierne Stille auf der Haupttribüne. Und da stand es schon 2:0, und der MSV hatte inzwischen sogar einige ganz manierliche Kombinationen gezeigt. Und wenn nach dem fulminanten 3:0 von Bicanic der Stadionsprecher sich nicht als solche Stimmungsrakete erwiesen und über den Stadionlautsprecher „So ein Tag, so wunderschön wie heute“ gesungen hätte, womöglich hätten die Zuschauer auch das noch vergessen. „Heute war die Stimmung doch gar nicht so schlecht“, meinte Funkel, der aus der Grotenburg auch nichts anderes gewöhnt ist. Und für einen Moment Rambazamba sorgte der kernige Rothändle- Raucher (ohne Filter), der im sehr volksnahen VIP-Raum des Wedaustadions auf sein Köpi-Fläschchen schaute und dann durch den Raum trompetete: „Ja, gibt's denn hier keinen Schampus.“ Nee, gab's nicht.
1. FC Köln: Kraft - Kostner (83. Thiam) - Baumann, Schmidt - Scherr, Hauptmann, Oliseh, Weiser (44. Zdebel), Andersen - Gaißmayer (44. Kohn), Polster
Zuschauer: 18.000; Tore: 1:0 Emmerling (24.), 2:0 Wohlert (40.), 3:0 Bicanic (89.)
Gelb-rote Karte: Osthoff (73.) wegen absichtlichen Handspiels
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