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Serben wollen keinen Meineid leisten

■ Die Abgeordneten der "Republika Srpska" und ihr Präsidiumsmitglied boykottieren konstituierende Sitzung des bosnischen Bundesparlaments. Sie lehnen eine Vereidung auf die Verfassung des Landes ab

Sarajevo/Belgrad (dpa/taz) – Die Politiker der bosnischen Serben sind der Eröffnungssitzung des neuen Bundesparlaments und des Staatspräsidiums von Bosnien- Herzegowina in Sarajevo ferngeblieben. Dennoch widersprach Momcilo Krajisnik, Vertreter der Serben im Bundespräsidium, gestern dem Vorwurf, die neuen gemeinschaftlichen Gremien in Bosnien-Herzegowina würden boykottiert. „Die Vertreter der Serbenrepublik sind dafür, daß sich die gemeinschaftlichen Institutionen so schnell wie möglich konstituieren“, sagte er nach serbischen Rundfunkangaben, ohne jedoch einen Zeitrahmen zu nennen.

Obwohl die drei neugewählten Präsidiumsmitglieder die Vereidigung im Nationaltheater von Sarajevo für Samstag fest vereinbart hatten, erschienen weder die elf serbischen Abgeordneten noch Krajisnik. Sie begründeten dies mit Sicherheitsbedenken, obwohl Polizei und Soldaten der Ifor-Friedenstruppe das Gebäude stark abgesichert hatten.

Nur Präsident Alija Izetbegović, sein kroatischer Stellvertreter Kresimir Zubak sowie die Abgeordneten der Kroaten und Muslime legten den Eid auf die Verfassung und die Ziele des Friedensabkommens ab. 28 der 42 Parlamentssitze stehen den Vertretern der Muslime und Kroaten zu, 14 sind Abgeordneten aus der Serbenrepublik, darunter drei Muslimen, vorbehalten.

Auch lange Vermittlungsgespräche hätten die Serben nicht zur Anreise bewegen können, sagte der Chefkoordinator für die Friedenshilfe in Bosnien, Carl Bildt. Auch die zwei Abgeordneten der oppositionellen serbischen Koalition für Frieden und Fortschritt blieben fern.

Internationale Friedensvermittler reagierten enttäuscht. „Die Führung in Pale gefährdet die Zukunft ihres Volkes“, sagte der US- Chefunterhändler für Bosnien, John Kornblum. „Wir sind extrem verärgert.“ Der Umgang mit der Serbenführung müsse jetzt überdacht werden. Die Zeremonie sei nämlich bis ins Detail abgesprochen gewesen.

Izetbegović sagte: „Ich glaube, daß die Tage des Unglücks und des Bösen endgültig vorbei sind. (...) Die Vergangenheit darf nicht vergessen werden, aber um der Zukunft willen dürfen wir nicht Gefangene der Vergangenheit sein.“

Die Serben beschuldigten die Muslime, für das Scheitern der gemeinsamen Vereidigung verantwortlich zu sein, weil sie einen „Kompromißvorschlag“ für den Tagungsort abgelehnt hätten. „Dabei haben wir ihnen sechs Orte im muslimischen Teil Sarajevos als Alternative vorgeschlagen“, sagte der serbische Abgeordnete Slobodan Bijelić. Auch der Eid auf die Verfassung des unteilbaren Einheitsstaats Bosnien-Herzegowina sei für die Serben unannehmbar. Man wolle keinen Meineid leisten.

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