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Männlich, fest liiert, sucht ...

Makler für jedes Problem: Nun verhilft eine neue Agentur ihren Kundinnen und Kunden gegen Bares sogar zum Seitensprung  ■ Von Mechthild Klein

„Seitensprung. ... Sie haben den Gedanken, wir die Lösung“, lockt der Werbetext einer neuen Hamburger Agentur, die sich auf die Vermittlung außerehelicher Kontakte spezialisiert hat. „Wir vermitteln in erster Linie erotische und sexuelle Abenteuer“, erklärt Agentur-Gründer Andreas Jurgeleit. Er weiß: Rund 90 Prozent seiner Kunden leben in einer festen Beziehung und wollen diese auch nicht aufgeben.

Das bezahlte Abenteuer reizt offenbar mehr Männer als Frauen: Dreiviertel aller Anrufe bei Jurgeleits Agentur gehen auf ihr Konto. Um mehr weibliche Seitensprungwillige in die Kartei zu bekommen, brauchen Frauen neben der Aufnahmegebühr auch nur 50 statt 100 Mark Vermittlungsgebühr zu bezahlen. Demnächst will Jurgeleit seine Dienste sogar bundesweit anbieten.

Inzwischen gibt es für jedes Problem eine spezielle Agentur, meint der Leiter des BAT-Freizeit-Forschungsinstituts, Horst W. Opaschowski. Ob es um überzeugende Ausreden geht, um den passenden Begleiter fürs Kino oder einen Kandidaten für den Frühstückstreff – Märkte für neue Vermittlungsangebote finden sich überall. Partyservice, Teleshopping oder Festveranstalter profitieren von der Zeitnot der Menschen; die zunehmende Angst vor Gewalt beschert nicht nur Versicherungen, sondern auch Babysitter- oder Bodyguard-Agenturen steigende Auftragszahlen.

Den Grund für den Boom vermutet Opaschowski in der Vereinsamung der Menschen und in dem Glauben, daß man „mit Geld alles verfügbar machen kann“. Viele Singles meinen zudem, etwas zu verpassen, wenn sie nicht die unzähligen Angebote nutzen. Dennoch, weiß Opaschowski: Glücklicher werden die Menschen durch das Geschäft mit der Einsamkeit nicht. Die bezahlten Profis ersetzen keinen einfühlsamen Mitmenschen und erst recht keinen Freund.

Weniger Probeme bei der Nutzung von Freizeit-Agenturen sieht der Hamburger Leiter der evangelischen Seelsorge- und Beratungsstelle an der St. Petri-Kirche, Pastor Nils Gerke. Er sieht die Vermittlung über Kontaktdienste als eine zeitgemäße Wahl, miteinander in Beziehung zu treten, „wenn die Menschen eben sonst keine anderen Möglichkeiten haben, miteinander den Kontakt hinzubekommen“. Denn „irgend etwas werden die Menschen schon daraus ziehen“, vermutet Gerke. Allerdings findet er es doch bedenklich, „wenn wir uns nicht mehr ohne Bezahlung begegnen könnten“. Langfristig könnte so eine Konsumhaltung dazu führen, daß soziale Kontakte nicht mehr erlernt würden.

Damit in seiner Gemeinde keine Funkstille aufkommt, bietet er Kurse und Gesprächsgruppen an. Wenn nichts mehr hilft, könnte man es ja auch einmal mit einem Einsamkeitsseminar in der Kirche versuchen.

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