Das Comeback des Bocadillo

In Spanien haben die Fast-food-Konzerne Konkurrenz bekommen: Das belegte Weißbrot ist der Schlager der Kneipe um die Ecke  ■ Aus Madrid Reiner Wandler

Eine Studie des britischen Marktforschers Euromonitor über das Eßverhalten außer Haus förderte es zu Tage: Die Spanier mögen es traditionell – Menú del dia für die weniger Betuchten, à la carte für den größeren Geldbeutel. 95,4 Prozent halten es so, wenn ihnen die Zeit oder die Lust fehlt, zum heimischen Herd zu eilen. Der Rest hat ein weitaus moderneres Vergnügen entdeckt: Comida Rapida, zu (neu-)deutsch Fast food.

Obwohl Nischensektor – das Geschäft floriert. Eine Wachstumsrate von 32 Prozent in den letzten Jahren zog die internationalen Größen des Sektors an. Längst bestimmen die bekannten Namen des Gewerbes die Hauptverkehrstraßen der spanischen Innenstädte – mit ihren Pappbrötchen, belegt mit Tiefkühlfleisch nach Ami-Art oder mit ihren Pizzas, bei denen nur noch die Namen auf den italienischen Ursprung hinweisen. Jetzt haben die Multinationalen einen ernsthaften Konkurrenten bekommen: Das gute alte Bocadillo, der Verkaufsschlager der Kneipe um die Ecke für den Hunger zwischendurch, läßt neue Fast-food-Ketten wie Pilze aus dem Boden schießen.

Rein äußerlich imitieren die Lokale mit so klangvollen Namen wie Bocata World, Pans & Company oder Mister Bocata perfekt die großen Vorbilder aus Übersee. Von der Leuchtreklame übers Mobiliar bis hin zu Schürze und Häubchen der Bediensteten – hier ist alles in derselben Farbe durchgestylt, überwiegend rot. Und: Das älteste und größte aller Fast-food- Unternehmen hat nicht nur bei Arbeitsbedingungen und Löhnen Pate gestanden.

Beim Belag setzt jede Kette auf ein eigenes Profil

„Das Beste an den Bocadillos ist das, was nicht spanisch ist“, murmelt eine Kundin zufrieden zwischen zwei Bissen. Sie meint das Brot. Damit die Hungrigen nicht weiterhin in die alteingesessenen Tapa-Bars um die Ecke laufen, haben die Bocata-Ketten das fade spanische Stangenweißbrot – die Pistola nennen es die Madrilenen ironisch – gegen die schmackhaftere französische Variante des Baguettes ausgetauscht. Eine Mode, die längst auch in den Stadtteilbäckereien Einzug gehalten hat.

Beim Belag versucht sich jede Kette mit einem eigenen Profil. So bietet Pans & Company internationale Geschmäcker an. „Baviera“ heißt das Bocadillo mit einer mit Käse überbackenen Salchicha, der schier ungenießbaren Variante dessen, was die Spanier für ein Wiener Würstchen halten. „Normando“ heißt der schon wesentlich leichter verdauliche französische Bruder des bayerischen „Bocata“: zerlaufener Camembert auf spanischem Schinken. Für die Freunde skandinavischer Geschmacksnoten steht das „Noruego“ mit Räucherlachs, hartgekochtem Ei, Streichkäse und saurer Gurke auf der Karte, die gleich viersprachig auch für Touristen ausliegt.

Ketten wie Mister Bocata halten mit wesentlich klassischeren Bocadillos dagegen. Mr. Bocata Español enthält, wie sollte es anders sein, eine gute alte Tortilla de patatas, mit einer gebratenen Paprika garniert. „Mr. Bocata Calamar“ heißt hier das madrilenischste aller Bocadillos: Brot mit fritierten Tintenfischringen und sonst nichts. Und hinter dem „Mr. Bocata Castellano“ verbirgt sich der Lomo à la plancha, Schweinelende gebraten. „Mr. Bocata Burgales“ ist für Freunde deftiger Hausmannskost, es enthält gebratene Morcilla, Blutwurst.

Das Geschäft mit dem Bocata ist ein voller Erfolg. Zur Mittagessenszeit drängen sich die leitenden Angestellten, abends und vor allem am Wochenende Pärchen jeglichen Alters und junge Familien. Längst hat das Stangenweißbrot das klassische Brathähnchen verdrängt und rangiert mit elf Prozent Marktanteil auf Platz drei, hinter Pizza und Hamburger. Und im Jahr 2000 wird, so Euromonitor, jedes fünfte in Spanien verdrückte Fast-food-Gericht ein mehr oder weniger phantasievoll belegtes Brötchen sein.