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Schauplatz Nebenklage

Lübecker Brandprozeß: Der Rechtsanwalt von Nebenkläger Bunga tritt zurück  ■ Aus Lübeck Marco Carini

Den siebten Verhandlungstag bestimmte der Streit zwischen dem Nebenkläger Joao Bunga und seinem Rechtsanwalt Ulrich Haage. Darüber gerieten im Lübecker Brandanschlagsprozeß gegen den Libanesen Safwan Eid die Aussagen der acht geladenen Zeugen – allesamt am Brandort eingesetzte Feuerwehrbeamte – in den Hintergrund.

Die Beamten hatten übereinstimmend ausgesagt, daß zu Beginn der Löscharbeiten vor allem das erste Stockwerk des Flüchtlingsheims in Flammen gestanden habe, während aus dem hölzernen Vorbau – wo die Verteidigung den Brandherd vermutet – nur dicker Qualm gekommen sei.

Für mehr Wirbel sorgte hingegen der Streit darüber, welcher Anwalt für den Nebenkläger Joao Bunga sprechen darf. Der Angolaner, der durch das Feuer im Lübecker Flüchtlingsheim Hafenstraße Frau und Tochter verlor, hatte das Gericht aufgefordert, die Beiordnung seines Rechtsanwalts Ulrich Haage aufzuheben, da dieser seine anwaltlichen Pflichten ihm gegenüber verletzt und sein Vertrauen verloren habe.

Bereits vergangene Woche hatte Bunga erklärt, daß Haage sich mit ihm während des gesamten Verfahrens kaum ausgetauscht habe. Außerdem habe er Anträge gestellt, die seinen Interessen zuwiderlaufen. Der Vorsitzende Richter Rolf Wilcken aber weigerte sich gestern, die Beiordnung von Haage aufzuheben. Allerdings, so schränkte Wilcken nach längerer Aussprache ein, dürfe der Anwalt keine Anträge mehr im Namen seines Mandanten stellen, da dieser ihm sämtliche Vollmachten entzogen habe.

Haage zog daraufhin die Konsequenzen: Er ließ sich von seinen anwaltlichen Pflichten entbinden. Am Prozeß wird der Anwalt jedoch auch weiterhin teilnehmen. Denn er ließ sich von der Familie el Omari, die im Verfahren ebenfalls als Nebenklägerin auftritt, als deren neuer Rechtsvertreter anheuern.

Zum endgültigen Bruch zwischen Bunga und Haage war es gekommen, als der Jurist vorvergangenen Mittwoch ohne Absprache mit seinem Mandanten einen Befangenheitsantrag gegen den Brandsachverständigen Ernst Achilles gestellt hatte, weil dieser zuvor für die Verteidigung begutachtet habe.

Haage hatte auf Intervention Bungas den Antrag später zwar wieder zurückgezogen, doch ein anderer Nebenkläger-Rechtsbeistand und schließlich auch Staatsanwalt Michael Böckenhauer hatten ihn postwendend übernommen. Achilles sei als Brandexperte „ungeeignet“, führte Böckenhauer gestern aus. Er besitze nicht „die erforderlichen Qualifikationen“ und habe sich zudem „frühzeitig auf den von der Verteidigung favorisierten Brandausbruchsort festgelegt“. Am Donnerstag will Richter Wilcken nun entscheiden, ob Achilles, der im Gegensatz zu den Brandgutachtern des Bundeskriminalamts einen Ausbruch des Feuers auch im hölzernen Vorbau des Flüchtlingsheimes und damit einen Brandanschlag von außen für möglich hält, vom Verfahren ausgeschlossen wird.

Der Ausschluß gilt jedoch als unwahrscheinlich: Als das Gericht Achilles zum Sachverständigen berief, war ihm längst bekannt, daß der Frankfurter Brandexperte zuvor für die Verteidigung eine Brandexpertise gestellt hatte. Immer wahrscheinlicher wird hingegen, daß noch weitere Brandgutachter vom Gericht berufen werden.

Denn die Todesumstände von Silvio Amoussou, dessen mit einem dünnen Draht umwickelte Leiche im Holzvorbau gefunden wurde, gibt allen Prozeßbeteiligten weiter Rätsel auf. In der Lunge des Flüchtlings waren keine Ruß- und Kohlenstoffpartikel aufgefunden worden - er kann somit nicht durch eine Rauchgasvergiftung gestorben oder bei lebendigem Leib verbrannt sein. Für Safwan Eids Anwältin Gabriele Heinecke sind deshalb die Todesumstände Amoussous „der Schlüssel zur Aufklärung des Brandanschlags“.

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