: Im Eimer
■ Das neue Abfallgesetz: gut gesagt, schlecht getan
Die Industrie muß nur vom Gängelband der Politik befreit werden – dann löst sie viele gesellschaftliche Probleme. Staatliche Vorgaben hingegen hemmen Innovationen. Das ist das Credo der Bundesregierung. Neuestes Beispiel ist das gestern in Kraft getretene Abfallgesetz. Es gibt der Industrie die Möglichkeit, sich selbst einen Müllkutscher zu suchen. Absehbar ist, daß die Betriebe den billigsten Anbieter wählen werden – auch wenn er das Zeug ans andere Ende der Republik fährt. Der Anreiz, möglichst abfallarm zu produzieren, wird geringer, wenn die Preise für die Entsorgung fallen.
Dabei erhebt Umweltministerin Merkel mit dem neuen Gesetz gerade den Anspruch, Müll vermeiden zu können. Die Hersteller sollen für ihre Produkte, auch wenn sie ausgedient haben, verantwortlich bleiben. So hofft Merkel, die Herstellung von recyclingfreundlichen Waren zu fördern und Ex-und-hopp- Produkten den Garaus zu machen.
Diese kluge Idee stammt von Merkels Vorgänger Klaus Töpfer. Doch wozu es führt, wenn der Gesetzgeber der Industrie die Ausgestaltung dieser Idee überläßt, zeigt die Verpackungsverordnung. Hersteller und Handel übertrugen der neu gegründeten Grüne-Punkt-Gesellschaft DSD die Verantwortung für die Rücknahme und Aufbereitung der Altmaterialien. Die Plastikindustrie, deren buntes Materialgemisch nur zu extrem hohen Kosten zu minderwertigem Zeug zu recyceln ist, sieht ihre Produkte nie wieder. Von Umstellungen in der Produktion ist nichts zu sehen. Statt dessen hat die Entsorgungswirtschaft ein neues, weites Feld gefunden und fährt satte Gewinne ein. Doch immer weniger Unternehmen tummeln sich auf dem lukrativen Markt. Vor allem die Energiemultis RWE, VEW, Ruhrkohle und Veba sind ständig auf Einkaufstour und schlucken einen mittelständischen Entsorger nach dem anderen. Zu weniger Müll, innovativen Produkten oder mehr Umweltschutz hat das alles jedenfalls nicht geführt.
Daraus sollte Merkel Schlüsse für die Ausgestaltung der Batterie- und Elektroschrottverordnung ziehen. Doch leider spricht nichts für ihre Lernfähigkeit: Die Vereinbarung mit der Automobilindustrie setzt bereits wieder auf den guten Willen der Wirtschaft. Annette Jensen
Bericht Seite 6
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen