■ Vorschlag: Laßt Gitarren wabern: Strain, mit klassischem Hardcore im Archiv
Ein gutes halbes Jahrzehnt nun schon steckt der Hardcore in einer Krise. Nicht, daß das in diesen eher konservativen Kreisen irgend jemanden großartig stören würde, aber immerhin versucht man auch dort inzwischen mal ein wenig zu tanzen und hin und wieder eine Melodie zuzulassen. Aber warum sollte man nicht auch einfach zu den Ursprüngen zurückkehren, wie das Strain machen. Das kanadische Quintett läßt den HipHop HipHop sein und tut einfach so, als wären die Red Hot Chili Peppers nicht passiert, als hätten die Todes- Metaller rechtzeitig das getan, was sie sowieso vorhatten: sich die Kugel geben. Statt dessen tun Strain einfach so, als sei alles beim alten, als sei es Ende der 80er, und das, was aus Punkrock einmal entstanden ist, nämlich Hardcore, wäre immer noch damit beschäftigt, sich in alle seine denkbaren Einzelteile aufzusplittern. Einfach mal so tun, als wäre es eine gute und noch nicht dagewesene Idee, sich ein wenig am Heavy Metal zu versuchen: Die Gitarren ein bißchen wabern lassen und die Stimmbänder ein wenig anrauhen, jaaa, so könnte es klappen.
Wenn ich das höre, geht es mir fast so wie meiner Mutter, wenn die alle drei Jahre aus Versehen ihre alten Presley-Singles auflegt. Ein wohliges Gefühl in der Magengegend stellt sich ein. Versoffene Nächte an speckigen Theken verklären sich. Und der Sänger weiß in schöner alter Achtziger-Protest-Lyrik von den vielen Malen zu berichten, in denen man unten war, aber immer wieder aufstand, um sein Leben wieder zurückzugewinnen. Entfremdung, klar, Widerstand, jawoll. Was vor sechs Jahren gut war, muß heute nicht schlecht sein, und Strain spielen satte, zähe, zeitlose Gitarrenriffs. Thomas Winkler
10.10., Archiv, Leipziger Straße 60, Potsdam
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