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Zwischen Gackern und Gänsehaut

■ Blutig und frei, fies aber herzlich: Leo Bassi war im Jungen Theater

„Wenn es Gott geben würde, würde er so aussehen wie ich.“ Davon ist Leo Bassi überzeugt. Dabei hat der international bekannte „Anarcho-Clown“ weder unten im Gesicht noch oben drüber Haare. Und nur ein Bindegewebsschwächling würde seine Figur mit der des Allerhöchsten vergleichen. Trotzdem ist Leo Bassi ein göttliches Gesamtkunstwerk und bietet als solches ein teuflisches Vergnügen.

Davon durfte sich an den vergangenen zwei Abenden das Publikum des Jungen Theaters überzeugen, wo Leo Bassi den Vorhang aufriß zum dreiwöchigen „Theater für alle“- und Eintritt-frei-Projekt. Ein furioser Auftakt! Leo Bassi bot alles, was zu einem guten Vortrag gehört: knisternde Spannung zwischen Gackern und Gänsehaut. Leo Bassi, getragen von offener Mordlust, setzt alles daran, daß die ZuschauerInnen sich totlachen. Dabei haßt er all die, die immer gut drauf sind, free and easy. Die, die guten Sex haben und dann auch noch drüber reden. Das ist bei Deutschen nicht der Fall. Darum liebt er die Deutschen. Die sind leicht zu durchschauen, sind gerade heraus wie eine Bockwurst. Oder wie ein scharf geschossener Wasserstrahl, der Flug einer Melone, der Stich einer Flamme oder der Schwerthieb einer gewandten Wortattacke.

Mit all dem muß rechnen, wer sich in die Show des Italieners begibt. Zugegeben, er ist gemein. Nicht hundsgemein, sondern menschengemein. Fies aber herzlich. Ein circensischer Anarchist, der sich selbst den Persilschein ausgestellt hat: Er darf alles, denn er ist schon 50 Jahre alt.

Merken würde das niemand, obwohl er bei seiner Radaukür schon mal schwer ins Schnaufen kommt und am liebsten sterben möchte. Aber niemals, ohne zuvor andere in den Orkus gejagt zu haben. In unbändiger Unterhaltungswut greift er immer wieder zur Schippe, auf die er das Publikum, die Welt und schließlich auch sich selbst nimmt. Die beste Art der Entsorgung. Die einzige Sorge, die den Abend über beschäftigt, ist die, daß man von Leo Bassi zur MitspielerIn auserkoren werden könnte. Sie paralysiert das Hirn, versetzt in eine Art hypnotischen Zustand. Und so schaut man gebannt. Denn schaurig ist es, zu Bassi zu gehen. Schaurig schön. dah

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