Auszeichnung für Osttimoresen

Bischof Belo und Widerstandsvertreter Ramos-Horta erhalten für langjährigen Einsatz für die Menschenrechte den Friedensnobelpreis. Die indonesische Regierung ist verärgert  ■ Von Sven Hansen

Berlin (taz) — Den Friedensnobelpreis bekommen in diesem Jahr der Bischof Carlos Filipe Ximines Belo aus Ost-Timor und der Sprecher des osttimoresischen Widerstandsrates, Jose Ramos-Horta. Das teilte das Nobelkomitee in Oslo gestern mit. Begründet wurde dies mit dem Einsatz der beiden Osttimoresen für eine friedliche Lösung des Osttimor-Konflikts und die Menschenrechte.

Die ehemalige portugiesische Kolonie ist seit 1975 von Indonesien besetzt. Die Regierung in Jakarta reagierte überrascht und verärgert auf die Entscheidung des Preiskomitees. Ein Sprecher des Außenministeriums beschuldigte Ramos-Horta der Aufwiegelung der Bevölkerung.

„Mit der Verleihung des Preises hoffen wir, zu einer diplomatischen Lösung des Konfliktes beizutragen“, erklärte der Vorsitzende des Preiskomitees, Francis Sejersted. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen fielen der von der UNO mehrfach verurteilten Besetzung Ost-Timors rund 200.000 Menschen zum Opfer, das sind knapp ein Drittel der Bevölkerung. Die fünf indonesisch-portugiesischen Gesprächsrunden sind bisher hauptsächlich an der harten Haltung der indonesischen Regierung gescheitert, die Ost-Timor als ihre 27. Provinz ansieht und von einem Selbstbestimmungsrecht der Osttimoresen nichts wissen will.

Nach dem Völkerrecht gilt die Dekolonisation Ost-Timors als unterbrochen. De jure ist Portugal Verwaltungsmacht über das von Indonesien kontrollierte Gebiet. Von der Weltöffentlichkeit wurde der Konflikt in Ost-Timor bisher weitgehend vergessen. Viele Regierungen machen lieber mit der indonesischen Regierung von Präsident Suharto gute Geschäfte, als daß sie sich für das kleine Volk der Osttimoresen einsetzen. Der Ost- Timor-Konflikt erhielt zuletzt größere Publizität, als bei einem Massaker im November 1991 zahlreiche Menschen vom indonesischen Militär getötet wurden.

Der 48jährige katholische Bischof Belo hat maßgeblich zur Aufarbeitung des Massakers beigetragen und sich aktiv für eine diplomatische Lösung des Konlikts eingesetzt. Belo ist der indonesischen Regierung und ihren Militärs seit langem ein Dorn im Auge. In Ost-Timor, wo ein Klima der Angst herrscht, hat Belo wiederholt deutliche Worte gegen die massiven Menschenrechtsverletzungen gefunden, die Züge eines Völkermords annehmen. Im Unterschied zum überwiegend islamischen Indonesien ist die Bevölkerung Ost-Timors katholisch. Belo gehört nicht der indonesischen Bischofskonferenz an, sondern untersteht direkt dem Vatikan. Er wurde 1983 zum apostolischen Verwalter der Diozöse der osttimoresischen Hauptstadt Dili ernannt und 1988 zum Bischof geweiht. Zuletzt hatten Ende März die Behörden die Auslieferung einer Ausgabe des Readers Digest unterbunden, die ein Porträt von Bischof Belo enthielt.

Jose Ramos-Horta ist Sprecher des im australischen Darwin angesiedelten osttimoresischen Widerstandsrats CNRM, der verschiedene Strömungen des osttimoresischen Widerstands vereinigt. Ramos-Horta war kurz vor der indonesischen Invasion aus Ost-Timor geflohen. Er sagte: „Eigentlich hätte neben Bischof Belo der Widerstandsführer Xanana Gusmao den Preis verdient, der im Gefängnis sitzt.“ Ramos-Horta ist Sprecher des Widerstandsführers, der eine 20jährige Strafe absitzt.

Ramos-Horta war maßgeblich an der Ausarbeitung eines dreistufigen Friedensplans beteiligt, dem auch Belo und die portugiesische Regierung zustimmten. Der Plan sieht indonesisch-portugisische Verhandlungen unter UN-Schirmherrschaft vor, an denen später auch Osttimoresen teilnehmen sollen. Zunächst sollen ein Waffenstillstand und eine Demilitarisierung erreicht werden. Nach einer Phase der Autonomie soll eine Volksabstimmung über Unabhängigkeit stattfinden. Jakarta hat auf diesen Plan nie reagiert.

Das zwischen Indonesien und Australien gelegene Ost-Timor war im Zuge der Wirren nach der portugiesischen Nelkenrevolution (April 1974) in die Unabhängigkeit gestolpert. Die Inselhälfte war nur wenige Tage unabhängig, als indonesische Truppen am 7. Dezember 1975 einmarschierten und die Spaltung der osttimoresischen Politiker ausnutzten.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker forderte Bundeskanzler Kohl gestern auf, sich bei seiner Indonesien-Reise Ende Oktober für einen Volksentscheid in Ost-Timor über die Zukunft der Inselhälfte einzusetzen. Die Organisation apellierte an Kohl, sich bei den Friedensnobelpreisträgern zu entschuldigen und weitere deutsche Waffenlieferungen an das indonesische Militär zu unterbinden.