: Seehofer will freie Arztwahl einschränken
■ Ärzte sehen Patientenversorgung durch Regreßansprüche der Kassen gefährdet. Kosten explodierten durch zu häufigen Arztwechsel, möglich durch Chipkarte
Hamburg/Köln (AP) – Patienten gehen immer häufiger direkt zum Facharzt statt zum Allgemeinmediziner. Nach Informationen der Welt am Sonntag nahm die Zahl dieser Fälle im letzten Jahr um 33,4 Prozent zu. Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer will heute mit den Ärzteverbänden über Möglichkeiten beraten, wie Patienten an diesem Verhalten gehindert werden können. Die Bundesärztekammer wandte sich gegen Regreßforderungen der Krankenkassen gegen Ärzte, die Arzneimittelbudgets überschritten.
Nach Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung habe die Zahl der Arztbehandlungen im vergangenen Jahr um 25 Millionen auf 485 Millionen zugenommen. Ob dies auf häufigen Facharztwechsel zurückzuführen ist, werde noch untersucht. Die Zahl der Überweisungen von Allgemein- zu Fachmedizinern sei um 34,4 Prozent zurückgegangen. Am häufigsten wurden dem Bericht zufolge Augenärzte und Urologen unmittelbar aufgesucht.
Ärztefunktionäre machten dafür die Einführung der Krankenkassen-Chipkarte vor zwei Jahren verantwortlich, hieß es. Sie lasse anders als der Krankenschein praktisch unbegrenzt viele Arztbesuche zu. Bei den Beratungen Seehofers mit Ärzteverbänden stünden mehrere Vorschläge zur Diskussion. Die Chipkarte könnte zum Beispiel den jeweils ersten Arztbesuch in einem Quartal speichern und darüber automatisch jeden weiteren Arzt, der konsultiert wird, informieren. Die Chipkarte könnte auch nach dem jeweils ersten Arztbesuch für den Rest des Quartals elektronisch gesperrt werden. Dann wäre für jeden weiteren Arztbesuch eine Überweisung erforderlich. Ein weiterer Vorschlag sieht vor, daß nur der erste Arztbesuch in einem Quartal direkt von den Kassen abgerechnet würde. Jeden weiteren müßte der Patient dann selbst bezahlen und sich je nach Versicherungsvertrag ganz oder teilweise erstatten lassen. Die Kassen lehnten diese Vorschläge ab, berichtete das Blatt weiter. Denn sie erforderten eine Modifzierung aller Chipkarten und Computerprogramme und schränkten die freie Arztwahl ein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen