Thälmann stirbt ein 2. Mal

Pleite und drohende Entlassungen: Die Belegschaft des Schwermaschinenkonzerns Sket reagiert mit Wut und Resignation zugleich  ■ Aus Magdeburg Uwe Ahlert

Geld rein, Mitarbeiter raus, so kann man das neue Sanierungskonzept der Sket-Geschäftsleitung auf den Punkt bringen. Die erst im April beschlossenen Subventionen in Höhe von 350 Millionen Mark reichen den Bossen des nach dem Kommunistenchef Ernst Thälmann benannten Magdeburger Schwermaschinenbauers jetzt nicht mehr aus. Die Treuhandnachfolgerin BvS soll nachlegen. Zuviel hat man dagegen an Beschäftigten. Die sind nach Massenentlassungen und gescheiterter Privatisierung ja schon einiges gewohnt. Aber daß von den jetzt 1.800 Mitarbeitern nur noch 570 übrigbleiben sollen, trifft sie hart.

Bei einer kurzfristig anberaumten Belegschaftsversammlung war den Beschäftigten klar, wer die Misere zu verantworten hat. Der Vertreter der leitenden Angestellten im Aufsichtsrat stand unter ihnen. „Judas“, zischelte es ihm entgegen. „Knüppel nehmen und wegjagen“, ruft ein erregter Mann im Blaumann. Aber der Angefeindete kommt ungeschoren davon, es bleibt bei verbalen Attacken.

Noch ist die Belegschaft ruhig, schwankt zwischen ohnmächtiger Wut und Resignation. „Die Mitarbeiter werden besonnen reagieren, aber die passende Antwort auf diese Provokation nicht schuldig bleiben“, sagt Betriebsratschef Günter Oelze.

Im fernen Brüssel wurde Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Klaus Schucht von der Nachricht über die Gesamtvollstreckung kalt erwischt. Er hatte gerade mit EU- Wettbewerbskommissar Karel van Miert über die noch immer ausstehende Genehmigung der Millionensubventionen für Sket durch die EU-Kommission verhandelt. „Das ist die denkbar schlechteste aller möglichen Lösungen und könnte im schlimmsten Fall das Aus für das Unternehmen bedeuten“, sagte er. Er werde jedoch alles für eine Auffanglösung mit dem Erhalt von möglichst vielen Arbeitsplätzen tun.

Für Magdeburgs IG-Metall- Chef Claus Matecki hat der scheibchenweise Tod des Traditionsunternehmens Methode. „Wir sollten jedoch erst erschossen und dann aufgehängt werden“, kommentiert er die Forderung der Arbeitgeberseite auf der Aufsichtsratssitzung, die zur Sanierung den Abbau der Beschäftigtenzahl auf 570 vorschlug. Dieser Forderung hätten die Arbeitnehmer niemals zustimmen können. Sie sei zweifellos nur aufgestellt worden, um der Öffentlichkeit anschließend die Gewerkschaft und den Betriebsrat als die eigentlich Schuldigen am Tod von Sket präsentieren zu können.

Besonders verbittert ist die Sket-Belegschaft darüber, daß nicht einmal des Kanzlers Machtwort ihren Betrieb retten konnte. Helmut Kohl hatte seinen Sonderbeauftragten für die neuen Länder, Johannes Ludewig, am Montag eigens in die Aufsichtsratssitzung geschickt. „Herr Ludewig, sorgen Sie dafür, daß Sket nicht filetiert wird“, zitiert Matecki den Kanzler. „Der Laden muß erhalten bleiben.“ Immer wieder ertönte gestern der Ruf nach dem Kanzler. Der hatte sich gestern in das Goldene Buch der Stadt Magdeburg eingeschrieben und dabei versprochen, gegen eine „De-Industrialisierung der Region“ anzugehen.

Der Aufsichtsrat habe Luwigs Ausführungen zur Kenntnis genommen, teilte dessen Vorsitzender Rudolf Blum gestern lakonisch mit. Den gestrigen Gang der Geschäftsleitung zum Konkursrichter kommentierte Matecki mit den Worten: „Die wollen Sket eiskalt gegen den Baum fahren.“