piwik no script img

Die slowakische Regierung fährt auf Nato-Zickzackkurs

■ Heute besucht Staatspräsident Michal Kováč die Nato. Der Westen will herausfinden, wie ernst der Beitrittswunsch ist

Prešov (taz) – Für den selbstbewußten slowakischen Premierminister Vladimir Mečiar ist die Nato-Mitgliedschaft seines Landes eigentlich selbstverständlich. Das zeige schon der Blick auf die Landkarte: Wenn Polen im Norden, Tschechien im Westen und Ungarn im Süden der Nato beitreten, müsse das Bündnis schon aus geopolitischen Gründen seine Ostgrenze verkürzen; es könne die Slowakei nicht ignorieren. Und wenn die Nato das partout nicht einsehen will? „Keine Katastrophe“, meint Pavel Hamžik, frischgebackener Außenminister, aber noch stünden die Chancen für den Beitritt nicht schlecht.

Der wird im Dezember vorentschieden, wenn die Nato-Außenminister entscheiden, welche Länder die begehrte Einladung zum Erweiterungsgipfel im Frühjahr 1997 erhalten. Seine Alternative hat Mečiar kürzlich dem russischen Generalstabschef Kolesnikow erklärt: Außer am Nato-Beitritt sei die Slowakei auch am Aufbau eines einheitlichen Sicherheitssystems in Europa interessiert. Und bei einer Versammlung von Anhängern der nationalistischen Regierungspartei HZDS vor einigen Tagen wies Mečiar auf den politischen Preis des Nato-Beitritts hin: die mögliche Stationierung von Atomwaffen und fremden Truppen in der Slowakei.

Ob dies und die finanziellen Belastungen übehaupt akzeptabel seien, so Mečiar, müsse jetzt offen diskutiert werden. Die slowakische Opposition reagierte wütend: Mečiar betreibe eine verdeckte Anti- Nato-Kampagne, um sich die Option einer Anlehnung an Rußland offenzuhalten. Es sei aber vermessen, mit einer solchen Drohung den Beitritt zur Nato erzwingen zu wollen.

Für die westlichen Verteidigungsexperten Anlaß genug, wieder einmal über die Ernsthaftigkeit des slowakischen Beitrittsgesuchs nachzugrübeln. Denn die außenpolitischen Ziele Mečiars widersprechen einander: Das „einheitliche Sicherheitssystem“, das die russische Regierung verlangt, sieht die Auflösung der Nato vor. Einigen Aufschluß über die Motive von Mečiars Zickzackkurs erhoffen sich die Militärs vom heutigen Besuch des slowakischen Staatschefs Michal Kováč in der Nato- Zentrale in Brüssel.

Zwei Staatssekretäre zur Kontrolle nach Brüssel

Präsident Kováč ist prowestlicher Demokrat, der mit seinem Regierungschef schwer zerstritten ist. Mečiar würde Kováč gerne stürzen, um in der Slowakei eine Präsidialdemokratie nach russischem Vorbild zu installieren. Der Präsident seinerseits nimmt über die politischen Zustände in seiner Heimat kein Blatt vor den Mund – einleuchtend, daß die slowakische Regierung gestern noch einmal zwei Staatssekretäre nach Brüssel schickte, um das Ärgste zu verhüten.

Dabei gibt es Umfragen zufolge in der Slowakei kaum ein Thema, das in der Sache weniger umstritten ist als der Nato-Beitritt. Anders ist dies bei dem verheerenden Image, das die junge Republik im Westen hat und das ihr für die Nato-Mitgliedschaft bislang ernste Probleme beschert. Die Opposition macht dafür das totalitäre Gebaren der Regierungskoalition, die Diskriminierung der nationalen Minderheiten und die hemmungslose Selbstbedienung bei der Privatisierung verantwortlich.

Die Regierung hingegen sieht den Nato-Beitritt durch antislowakische Nestbeschmutzer, eine ungarische Desinformationskampagne und „Folgen von persönlichen Traumata“ –so Mečiar noch am Montag im Radio – gefährdet. Die Opposition kolportiert unterdessen mit Häme, der Westen warte nur darauf, daß die Regierungspartei HZDS ihren Premier Mečiar stürze, um eine neue Koalition mit einer Mitgliedschaft von Nato und EU zu belohnen. Uneinig ist die in viele Parteien zerfallende Opposition aber über ihre eigene Strategie: Soll die Slowakei in die westlichen Institutionen integriert werden, um so die politische Kultur zu demokratisieren? Oder soll die Slowakei draußen bleiben, damit der starke Westen von außen die Mitgliedschaften als Druckmittel zur Demokratisierung einsetzen kann?

In den außenpolitischen Konstellationen liegt aber auch die weiche Flanke der slowakischen Nato- Politik. So ist es für die nationalistische Regierungskoalition eine fast unerträgliche Vorstellung, gerade Tschechien und Ungarn bald mit institutionalisiertem westlichem Rückhalt zu sehen, während die Slowakei isoliert bleibt. Denn Rußland und die Ukraine sind wenig beeindruckende Partner. Welche Kategorien aber zur slowakischen Außenpolitik gehören, machte die Nato-Expertin der HZDS, Belohorská, deutlich: Die Gründe für die Vorbehalte der USA festzustellen, sei sie „zu stolz“. Dietmar Bartz

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen