: 7. Lesbisch-Schwule Filmtage Hamburg 17.-27. Oktober '96
Schriftstellerinnen wie Djuna Barnes, Colette und Gertrude Stein, Malerinnen wie Romaine Brooks und Marie Laurencin, Fotografinnen wie Bernice Abbott und Gisèle Freund, Verlegerinnen wie Sylvia Beach und Adrienne Monnier sowie Journalistinnen wie Janet Flanner zog es Anfang dieses Jahrhunderts nach Paris. Dort, an der „rive gauche“, suchten und fanden sie ein anderes Leben. Im Café „Aux Deux Magots“ trafen sie lesbische Paare, in Sylvia Beachs Buchladen angeregte Diskussionspartnerinnen. Überall kamen Frauen zusammen, die aus den damals miefigen USA nach Paris auswanderten, um ihr Lesbentum auszuleben. All diese künstlerischen Frauen, um die beiden zentralen Figuren Colette und Gertrude Stein, verfolgt die US-amerikanische Regisseurin Greta Schiller in ihrem Dokumentarfilm Paris Was A Woman, der heute um 20 Uhr im Rahmen der 7. Lesbisch-schwulen Filmtage im Metropolis zu sehen sein wird. Anhand von seltenen Dokumentarszenen, allzu bekannten Fotografien und einem ausführlichen Interview mit der wunderbar radebrechenden Gisèle Freund, entwirft Schiller nicht ohne Sehnsucht ein schillerndes Bild jener Epoche, die mit dem Zweiten Weltkrieg jäh endete.
Eine kurze Utopie des selbstbestimmten weiblichen Lebens und Schaffens entsteht so, das mit der Mähr von den Musen für die gleichzeitig in Paris weilenden Großschriftsteller endgültig aufräumt. Die Allegorie führt in Paris Was A Woman den Diskurs.
Damit stellt sich der Film ganz in den Dienst der frühen Frauenforschung, die der männlichen Mythologie eine weibliche gegenüberstellt. So idealisiert sie etwa Gertrude Stein zu einer selbstlosen Lesben-Ikone, ohne aber deren fragwürdige Position zum italienischen Faschismus zu erwähnen, die Theweleit nachgewiesen hat. So tappt Schiller in ihrer kurzweiligen Momentaufnahme in die gleiche Falle, wie die männliche Geschichtsschreibung.
Außerdem läuft heute noch: Let Me Die, Again von Leone Knight und Hu-Du-Men – Stage Door, 18 Uhr, Achilles von Barry J.C. Purves und Hollow Reed von Angela Pope, 20.30 Uhr, Die Satansweiber von Tittifeld von Russ Meyer, 22.30 Uhr, Neues Cinema Dancing von Steven Rimkus, 20 Uhr, Cainuncut von Stephen Velky und Man of the Year von Dirk Schafer, 22.30 Uhr, Metropolis
Volker Marquardt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen