7. Lesbisch-Schwule Filmtage Hamburg 17.-27. Oktober '96

Irgendwas war mit der Treppe, die so schwer erklimmbar schien wie die Eiger-Nordwand. Kaum einer des Filmteams schaffte es, sie ohne Schubkraft von hinten zu bezwingen und sich dann an der Rampe des Metropolis zur feierlichen Eröffnungsansprache für die 7. Lesbisch-Schwulen Filmtage zu postieren. Dann, vor dem nicht minder abenteuerlichen Treppen-Abstieg, Danksagungen, Applaus und Genesungswünsche an Dirk Bogarde, den ersten Schauspieler, der auf der Leinwand einem Kollegen ein explizites „Ich liebe dich“ gönnte und dem das Festival eine Reihe widmet.

Seit zwei Tagen liegt der Mime mit einem Schlaganfall im Krankenhaus. Doch wie überleiten, nach solch traurigen Botschaften, auf Filme wie Unbound, in der barocke Unmäßigkeit und enthemmte Brustlust sich zur Ode an weibliche Wollust aufschwingen, oder auf Let Me Die, Again, einer wunderbar exaltierten Transen-Operette, in der sich einsam Verliebte ausgiebig an den eigenen Tränen und den Arien großer Sopranistinnen wärmen.

„Es gibt andere Unfälle“, hüpft die Moderation elfengleich von Apoplexie zu weiteren Ausfällen, „Menschen verschwinden, Dinge manchmal auch, hin und wieder sogar Filme.“ So erging es He's A Woman, She's A Man (statt dessen morgen um 18 Uhr im Metropolis nun: Apartment Zero) und The Million Eyes Of Su-Muru (nun Gay Deceivers am Dienstag, 22.30 Uhr).

Dann ergriff Kultursenatorin Christina Weiss das Wort, lobte die Beharrlichkeit des Filmtage-Teams und verwies, frei nach Arno Schmidt, auf die zärtlichen Bande zwischen Winnetou und Old Shatterhand, die unter der heißen Präriesonne wohl nicht nur Blutsbrüderschaft geschlossen hätten und als schwules Pärchen nicht allein für bedrohte Apachen ihre Lanzen brechen, sondern für alle subversiven Romanzen, die sich zwischen den Schnitten ereignen.

Im Anschluß tänzelte ein androgynes, nacktes Strichmännchen in La Défoule über die Leinwand, entschied sich ohne Umschweife für die Frau in sich, modellierte seinen Körper mit straff geschnürter Korsage zu ansehnlicher Weiblichkeit, malte sich die Lippen ausgehfein und verließ die Linien seines Zimmers. Ab auf die Piste – die Lesbisch-Schwulen Filmtage sind eröffnet.

Birgit Glombitza