: Der große Schwindel
■ Bürgerschaft: Ein leeres Zukunfskonzept und keine Alternative
Bürgerschaft am 26.1.1988:
Ralf Fücks, Grüne: „Herr Beckmeyer, streckenweise habe ich die Antwort des Senats auf unsere Große Anfrage als eine Verhohnepiepelung der Bürgerschaft und der Öffentlichkeit empfunden, und zwar deshalb, weil Sie keine Antwort auf die Frage nach den konkreten Plänen des Bremer Werftenverbundes gegeben haben, obwohl natürlich die Rahmendaten des Werftkonzepts bereits feststehen. Wollen Sie die Bürgerschaft dazu degradieren, jährlich neue Bürgschaften und Subventionen für die Werften zu bewilligen, ohne über die zugrundeliegenden industriepolitischen Entscheidungen mitzubestimmen?“
Aus der Debatte um den 400-Millionen-Nachtragshaushalt am 25.8.1988:
Wirtschaftssenator Uwe Beckmeyer: „Selten hat es in der jüngeren Geschichte der Freien Hansestadt Bremen eine wirtschaftspolitische Entscheidung gegeben, die gründlicher, sorgfältiger und umsichtiger getroffen wurde als die Entscheidung über das neue Strukturkonzept für den bremischen Werftenverbund. (...) Das grundsätzlich Neue dieser Etappe besteht eben darin, daß es nach der Umsetzung des vorliegenden Strukturkonzeptes nicht mehr angemessen sein wird, lediglich von einem neuen Werftenverbund zu sprechen. Ziel dieses Konzeptes ist es vielmehr, aus dem heute additiv zusammengeführten Werftenverbund in einem zweiten qualitativen Schritt eine industrielle Unternehmensgruppe zu schaffen, in der Hochleistungsschiffbau, Technologiebau, Technologieproduktion und Dienstleistungsangebote wie selbstverständlich nebeneinander stehen und sich ergänzen...“
Ralf Fücks (Grüne): „Heute soll die Bürgerschaft eine neue Runde in diesem Finanzkarrussell beschließen, alles in allem ein Paket von vorläufig 400 Millionen. Es gibt wohl keinen, den bei diesen Dimensionen nicht der Schwindel befällt, erst recht, wenn man zur Kenntnis nehmen muß, daß mit dieser enormen finanziellen Kraftanstrengung des Landes keineswegs die Zukunft des Bremer Werftenverbundes gesichert ist.
Als die jetzt vorliegenden Zahlen über den Finanzbedarf des Werftenverbundes im Wirtschaftsförderungs-Ausschuß erstmals auf den Tisch kamen, haben Abgeordnete aller Parteien heimlich oder offen nach der Notbremse geschielt. Auch in meiner Fraktion wurde diskutiert, ob ein Ende mit Schrecken nicht einem Schrecken ohne Ende vorzuziehen sei. Die bedrückende Wahrheit ist, Bremen steckt bereits so tief im Strudel der Werftenkrise, daß wir uns aus arbeitsmarktpolitischen, finanzpolitischen und industriepolitischen Gründen den sofortigen Ausstieg nicht leisten können. Bei einem Konkurs des Werfentverbundes würden mindestens 450 Millionen an öffentlichen Bürgschaften fällig... „
Finanzsenator Grobecker (an Fücks): „Wollen Sie uns vorwerfen, wir geben Sterbehilfe für den Schiffbau, oder wollen Sie uns vorwerfen, wir verschleudern öffentliche Mittel für so einen Verbund? Eines von beiden geht nur. Wenn wir Sterbehilfe geben wollen, müssen wir natürlich auch Geld in die Hand nehmen, aber Sie hätten dann recht, es wäre eigentlich überflüssig, man kann sie auch knallhart sterben lassen. Also, Sie müssen das deutlich sagen, was Sie uns da vorwerfen. Wenn Sie sich bemühen um Betriebsräte, wie ich da höre, wird es schwierig für Sie sein. Aber wenn Sie sich so bemühen, dann würde ich gern das als Zitat Wort benutzen, daß wir nur Sterbehilfe leisten. Das würde ich gern aus Gründen der Agitation benutzen, nur deshalb lege ich Wert darauf, daß Sie sich klar ausdrücken, ob Sie uns vorwerfen, daß wir nur Sterbehilfe geben, oder ob Sie uns vorwerfen, daß wir Geld für die falsche Sache ausgeben. Das möchte ich gern genau wissen.“
Günter Klein, CDU: „In der Vergangenheit ist vor allem vom Vorgänger des Vorstandsvorsitzenden eine sehr riskante zusätzliche Schiffbaufinanzierung betrieben worden, nämlich durch Übernahme von Schiffsbeteiligungen, durch Übernahme von Beteiligungen an stillen Gesellschaften, durch Übernahme von Gesellschafterdarlehen an Einzelschiffsgesellschaften. Das hat sich so bedrohlich aufgestockt, daß wir vor der Sommerpause in der Finanzdeputation, im Bürgschaftsausschuß alarmiert wurden, wir hätten eine Liquiditätslücke zu decken in einer Größenordnung von rund 290 Millionen Mark, bevor man überhaupt auf Umstrukturierungskonzepte eingehen könne. Wir sind hier in einer außerordentlichen Zwangslage. Die Crash-Kosten unmittelbar, unterstellt den Konkurs, würden 450 Millionen betragen. Es ist schon gesagt worde, das Gesamtobligo des Landes Bremen beim Verbund beträgt 950 Millionen DM. Da bricht natürlich jede alternative Politik zusammen...“
Wirtschaftssenator Uwe Beckmeyer: Herr Fücks, ich bin sehr enttäuscht über Ihre Haltung, gerade nachdem Sie signalisierten, daß Sie gerade in Zukunftskonzepte investieren wollen. Nun liegt ein abgestimmtes Zukunftskonzept auf dem Tisch, und Sie versagen sich die Zustimmung. Das allerdings, meine Damen und Herren, ist Kneifen! Kneifen vor tatsächlich konstruktivem Handeln!“
Anm.: Der Nachtragshaushalt für den Vulkan wurde am 25.8.1988 mit den Stimmen der SPD-Regierungsfraktion bei Zustimmung der CDU- und FDP-Opposition beschlossen. Die Grünen enthielten sich der Stimme.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen