piwik no script img

Vorhänge zu Schleppen

■ Viel Schatten und noch mehr Licht: Am Broadway gefeiert, jetzt auf Tournee in Berlin – das Musical „Black and Blue“

Natürlich können Spitzfindige sagen: Nichts Neues, alles schon mal dagewesen – Steptänzer mit dem obligatorischen Kontrastprogramm Senior/Kind, stimmgewaltige SängerInnen, altbekannte Ohrwürmer aus dem vielzitierten Cotton Club, dem Synonym für heiße schwarze Musik der zwanziger und dreißiger Jahre.

Doch diese Musical-Revue will nicht anderes als unterhalten. Der Anspruch ist nicht Aufklärung oder Nachhilfeunterricht mit einer an den Haaren herbeigezogenen Geschichte, keine konstruierte oder verfälschte Biographie einer Legende, sondern einfach zwei Stunden Entertainment. „Black and Blue“ steht für die Hautfarbe Schwarz und die Stimmung des Blues und ist eine Aneinanderreihung von traurigem, sentimentalem, ironischem, aber auch lebensbejahendem Blues, entstanden aus dem jahrhundertealten Überlebenskampf der Schwarzen. „What Did I Do To Be So Black And Blue?“ heißt die bittere Frage im Titelsong von Fats Weller, den die drei Diven zum Finale singen.

Auch solistisch treten die fülligen Damen mehrmals ins Rampenlicht. Den Klassiker „Body& Soul“ bringt Byrdie Green mit voluminöser Stimme ebenso wie das zweideutige „If I Can't Sell It, I'll Keep Sitting On It“ über einen Stuhl – oder zumindest eine Sitzfläche – mit einem großen Abgang von der Bühne: Sie zieht den riesigen Vorhang als Schleppe hinter sich her.

Maxine Weldon wiederum singt, sechs Meter über der Bühne auf einer Trapezschaukel sitzend, mit kräftiger Stimme „Am I Blue“. Und Linda Hopkins, fast 72jährig, bringt in „After You've Gone“ ihre Stimme in Höhen, bei denen angeblich Gläser zerspringen, und präsentiert sich in „Ain't Nobody's Business“ als beschwipste Ulknudel. Sechs Tanzpaare steppen über die Bretter, mal farbenprächtig, mal in schwarzweißem Frack. Der erst 14jährige Dominique Kelley zeigt akrobatische Spagatsprünge, während der 74jährige Bunny Briggs dezent-elegant zu „Sentimental Mood“ trippelt.

Beeindruckender fast als die Darsteller ist das bombastische Bühnenbild des Argentiniers Claudio Segovia. Warum ist auf so einfache, aber effektvolle Licht- und-Schatten-Spiele eigentlich nicht schon vorher jemand gekommen? Dabei wird auf jedweden Kitsch verzichtet, fast ausschließlich mit Vorhängen und Beleuchtung gearbeitet.

„Black And Blue“, 1985 in Paris uraufgeführt, gewann am Broadway drei Tony-Awards. Es ist die beste Show, die seit Jahren hier zu sehen ist. Norbert Hess

„Black and Blue“, Schiller Theater, bis 10.11., Karten-Telefon: 3111-3111

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen