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Kein Sponsor prangt am Kragen

■ Anhänger von Schalke 04 eröffnen einen Fan-Laden und wollen Fußballkultur auch jenseits des Stadions sichtbar machen

Gelsenkirchen (taz) – Die Fenster sind groß, die Räume hell, die Wände weiß, und von der Decke leuchten Niedervolt-Strahler. Die Mannschaftsfotos aus unterschiedlichen Jahren sind hübsch gerahmt, und ein naiv-buntes Gemälde im Fenster bildet königsblauen Torjubel ab. Von der Eichenholz- Schwere vieler Fan-Kneipen hat der „Schalke Fan-Laden“ in der Nähe des Gelsenkirchener Marktes wenig. Ganz ohne Bierwitz geht es aber doch nicht, der Aushang an der Theke verrät: „Bier 2,50 Mark – kein Bier 1,50 Mark“.

Die Eröffnung des Fan-Ladens ist für seine Macher eine Flucht nach vorne. „In der Freizeit konnten wir die Arbeit nicht mehr bewältigen“, sagt Bodo Berg. Er gehört zur Schalker Fan-Initiative, die mit Aktionen gegen Rassismus im Stadion begann, das Fanzine Schalke Unser gründete und auf soviel Resonanz gestoßen ist, daß nun die Professionalisierung gewagt wird. Für Berg ist es ein „Modellversuch“, denn der Fan-Laden paßt nicht in das Muster der Sozialarbeit, wie sie auch in Gelsenkirchen von einem Fan- Projekt bereits abgedeckt wird.

„Wir wollen die Fußballkultur, die in uns allen steckt, auch jenseits des Stadions sichtbar machen“, erklärt Berg. Und Schalke-Verteidiger Yves Eigenrauch, der Initiative seit längerem verbunden, assistiert: „Ich gehe davon aus, daß hier auch kulturelle Aktivitäten entwickelt werden.“ Dabei denkt er an Abende mit alten Filmen über Schalke, an Lesungen oder Ausstellungen. An Wochentagen (außer montags) jeweils nachmittags sowie an allen Spieltagen soll die Hansemannstraße 23 aber auch schlicht ein Treffpunkt sein. Zudem soll sich der Laden zu einer Schnittstelle für vereinsübergreifende Aktivitäten entwickeln: Der Abbau von Stehplätzen, das Verschwinden des Fußballs ins Fernsehen und weiterhin Rassismus im Stadion sind die bestimmenden Themen. Am 30. Oktober wird der Fan-Laden ein Treffen zwischen deutschen und polnischen Fußballfans (von Lech Poznan) mitorganisieren.

Für dieses neue Profil von Fanarbeit Unterstützung zu finden ist bislang das große Problem. 5.000 Mark hat die Einrichtung des Ladens gekostet, Hunderte Arbeitsstunden von 25 Aktivisten nicht eingerechnet. Öffentliche Gelder gehen ausschließlich an Fan-Projekte, der Verein unterstützt den Dachverband der Fan-Clubs, und private Sponsoren haben sich bislang zurückgehalten. Hunderte von Briefen mit Bitte um Unterstützung blieben fast gänzlich ohne Resonanz.

„Bei uns will keiner ,Reusch‘ am Kragen sehen“, ulkt Bodo Berg. Ein Baumarkt, der kostenlos Materialien für die Renovierung des Ladenlokals zur Verfügung stellte, wollte sogar ausdrücklich nicht genannt werden.

Von daher war es schon ein Fortschritt, daß Schalke-Präsident Rehberg zur Eröffnung kam, „um nach einigen Irritationen der Vergangenheit die weiße Fahne zu zeigen“. Zwei Sponsoren stellte er auch in Aussicht. Im Prinzip aber muß sich der Laden selbst und vorläufig durch ehrenamtliche Arbeit tragen. Bodo Berg nimmt's sarkastisch: „Das ist ein Modellversuch – an dem wir uns selbst vergiften.“ Christoph Biermann

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