: General noch nicht abgeschrieben
■ In Moskau sind die Reaktionen auf Lebeds Entlassung gemischt. Duma fordert Untersuchung von Putschvorwürfen
Moskau (AP/AFP) – Die Entlassung des russischen Sicherheitsberaters Alexander Lebed ist gestern nahezu einhellig auch von Oppositionspolitikern begrüßt worden. Kommunistenführer Gennadi Sjuganow nahm die Entlassung Lebeds zum Anlaß, Jelzin Führungsschwäche vorzuwerfen. Der Präsident hätte Lebed mindestens einen Monat früher entlassen sollen, erklärte Sjuganow.
Die russische Presse reagierte mit einer Mischung aus Unbehagen und Erleichterung auf Lebeds Entlassung. Nur wenige Kommentatoren wollten Lebed aber gänzlich abschreiben. „Es ist leicht, Lebed seines Amtes zu entheben. Aber wie soll er ganz aus der Politik verschwinden, wenn diese mehr und mehr einem Bandenkrieg gleicht und einen starken Mann braucht, der harte Entscheidungen treffen kann?“ hieß es in der liberalen Zeitung Iswestija.
Unterdessen forderte das russische Abgeordnetenhaus eine juristische Untersuchung der Putschvorwürfe gegen Lebed. In einem entsprechenden Resolutionsentwurf wird die Staatsanwaltschaft aufgefordert, Handlungen von Regierungsvertretern zu untersuchen, die eine „Bedrohung der nationalen Sicherheit“ bilden und eine „Destabilisierung des Staates“ zur Folge haben könnten. Überdies wurden Forderungen laut, daß die Duma bei der Besetzung des Amtes als Leiter des Nationalen Sicherheitsrats künftig mitreden wolle.
Unklar blieben gestern Lebeds Vollmachten in der Tschetschenien-Politik. Die „strategische Führung“ der Tschetschenienpolitik bleibe in den Händen des Sicherheitsrats, sagte Ministerpräsident Wiktor Tschernomyrdin. Kreml-Sprecher Sergej Jastrschembski sagte, Lebed werde „sehr bald“ offiziell als Tschetschenien-Beauftragter entlassen. Zuvor hatte es geheißen, Lebed bleibe vorerst auf diesem Posten. Lebed selbst kündigte an, er werde weiter um politische Macht kämpfen. Jelzin sei eine „kranke Person“, er trage die Hauptverantwortung für die Krise in Rußland. Zu Tschetschenien sagte er, er mache sich „kaum Illusionen“, sein Amt als Tschetschenien-Beauftragter behalten zu können. Zugleich warnte er, daß seine Entlassung die Lage in der Kaukasusrepublik verschlechtern werde.Kommentar Seite 10
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