piwik no script img

Freie Fahrt für den Solizuschlag

■ Dem Kampf um das Bonner Haushaltsloch fällt die groß angekündigte Senkung der Solidaritätsabgabe zum Opfer. Dafür wird aber die Mineralölsteuer nicht erhöht. Opposition: „Auf einem Affenfelsen geht's rationaler zu als bei Waigel“

Bonn (taz) – Schwere Schlappe für die FDP: Der Solidaritätszuschlag wird vorläufig doch nicht gesenkt – dieser Punkt war für die Freien Demokraten lange zentraler Teil ihrer Finanzpolitik. Jetzt haben sie ihn geopfert, um eine mögliche Erhöhung der Mineralölsteuer zu verhindern.

Die Koalitionsfraktionen von Union und FDP haben sich gestern darauf geeinigt, den Abbau des Zuschlags von derzeit 7,5 Prozent erst ab 1998 zu beginnen. Ursprünglich hatte die Regierung die Absenkung schon für das nächste Jahr versprochen. FDP-Fraktionschef Hermann Otto Solms wollte dennoch gegenüber der taz den jüngsten Koalitionsbeschluß nicht als Niederlage seiner Partei verstanden wissen: „Wir haben eine Mineralölsteuererhöhung verhindert. Das zentrale Anliegen der FDP ist es, ihrer Steuersenkungslinie treu zu bleiben, und das ist gelungen.“ Seine Fraktion sei von ihrem Kurs „nicht inhaltlich, sondern nur auf der Zeitschiene“ abgewichen.

Unter den Freidemokraten ist der jüngste Koalitionsbeschluß umstritten. Drei Gegenstimmen und fünf Enthaltungen wurden bei der endgültigen Abstimmung in der Fraktion gezählt. In Bonn kursierten gestern sogar Gerüchte, denen zufolge die FDP einen Bruch der Koalition erwogen habe. Das hat Hermann Otto Solms gegenüber der taz allerdings dementiert. Er räumte aber ein: „Es war sehr ernst.“

Der nächste Krach ist schon programmiert. Die FDP versteht die jetzt getroffene Vereinbarung so, daß der Solidaritätszuschlag 1998 gleich um zwei Prozent gesenkt werden soll. Das sieht Theo Waigel anders. Er will eine Senkung um zunächst ein Prozent.

Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz von Finanzminister Theo Waigel, CDU-Fraktionschef Wolfgang Schäuble und Hermann Otto Solms demonstrierte die Koalition aber Geschlossenheit. Die SPD sei durch den verhinderten Aufschub der Erhöhung des Kindergeldes für die Lücke von rund sieben Milliarden Mark im kommenden Haushaltsjahr verantwortlich. Der vorläufige Verzicht auf die Senkung des Solidaritätszuschlags soll etwa 3,7 Milliarden Mark bringen. Nach wie vor bleibt offen, wo der Rest herkommen soll. Finanzminister Waigel schloß weitere Einsparungen in den Bereichen Verteidigung, Forschung und Verkehr aus. Wie zu erfahren war, hat er sich in der Fraktionssitzung außerdem gegen weitere Kürzungen von Sozialleistungen ausgesprochen. Er wolle keine Gefechte führen, die er nicht gewinnen könne. In den nächsten zwei Wochen kann die Opposition das Thema im Parlament nicht auf den Tisch bringen – der Bundestag hat sitzungsfreie Zeit. Dieser Zeitplan war von der Bundesregierung bei Verkündung ihres Beschlusses offenbar genau berücksichtigt worden. „Wir haben seit Montag gewußt, daß wir um diese Entscheidung nicht herumkommen“, erklärte CDU- Fraktionschef Schäuble.

Die Opposition hat ihre scharfe Kritik am Koalitionsbeschluß auf eine Weise geäußert, die in Bonn an weniger hektischen Tagen für großes Aufsehen gesorgt hätte: SPD-Fraktionschef Rudolf Scharping und Joschka Fischer von den Bündnisgrünen traten gemeinsam vor die Bundespressekonferenz. Beide warfen der Regierung vor, in Deutschland für ein „Finanzchaos“ gesorgt zu haben. Scharping merkte mit Blick auf die Kindergeldfrage ironisch an, daß „für die Dummheit von Waigel und die Fehler der Koalition neuerdings die Kinder verantwortlich sind“. Fischer erklärte: „Es geht auf einem Affenfelsen rationaler zu als bei dieser Koaliton.“ Bettina Gaus

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen