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Comic als Waffe

■ Der Zeichner Eric Drooker in Bremen

Wenn man das postmoderne Gerede vom Ende der Utopien ernst nehmen würde, wäre die Kunst des New Yorker Comiczeichners Eric Drooker ziemlich überholt. Schließlich hält der 38jährige mit stoischem Trotz an der Überzeugung fest, der künstlerische Ausdruck könne mehr sein als nur ein kurzer visueller Stimulus in der Flut der elektronischen und gemalten Bilder. Seine Comics betrachtet der Zeichner als politische Waffe, sogar als revolutionären Akt.

Drookers Kunst orientiert sich an der politischen Holzschnitt-Grafik eines Frans Masereel. Aus dieser Tradition heraus und aus dem Leben im sozialen Brennpunkt Lower East Side Manhatten hat sich Drookers Ästhetik entwickelt. Zu der gehört, daß im Meer der Sprachen Worte nicht mehr wichtig sind. Inhalte aber gehören unablösbar zu den Bildern. Drooker erzählt seine Geschichten von Angst, Gewalt und sozialem Verfall mit präzisem eckigem Federstrich, wie mit einem feinen Hobel in Linoleum gekratzt. Perfekt, aber mit Absicht kalt sind seine monströsen Stahl- und Plastik-Hintergründe: U-Bahn-Schächte, Wohnblocks, endlose Treppen. Runde Formen sind selbst bei der Darstellung von Körpern selten, nur ausnahmsweise stechen Menschen aus der metropolen Gleichförmigkeit heraus.

Ein prominentes Beispiel seiner Kunst ist das Platten-Cover für die Band „Faith No More“. Nicht nur das lefzende Maul des Schäferhundes schockiert. Drum herum stürzen brutale Zacken auf den Betrachter ein – eine schwarz-weiße Vorwärtsbewegung, die den Druck auf das obdachlose Opfer spürbar macht. Erst auf den zweiten Blick ist der Polizist zu sehen, der den Wachhund hält. Drooker erzählt wortlos aber treffend die Geschichten solcher ungleichen Kämpfe und bezieht so Stellung.

Für den parteischen Beobachter Drooker gehört Kunst in die Öffentlichkeit, am besten zum Nulltarif. Lange Jahre klebte er seine Werke an New Yorker Laternenpfähle, um ohne Druckkosten Menschen zu erreichen. Mittlerweile arbeitet der Comiczeichner nach seinem ersten Buch „Flood – A Novel in Pictures“ auch als Illustrator von Polit-Plakaten und Schallplattenhüllen für engagierte Bands wie „But Alive“. Drookers neuestes Buch „Illustrated Poems“ ist das Resultat einer Zusammenarbeit mit dem Beat-Poeten Allan Ginsberg. Auch hierbei schafft es der New Yorker, dank der im Strich erkennbaren Presönlichkeit, nicht nur handwerklich zu überzeugen, sondern auch das revolutionäre Moment in seinen Zeichnungen nicht anachronistisch wirken zu lassen. Wegen des ehrlichen Glaubens an die Utopie stechen Drookers Bilder auch in postmordernen Zeiten aus dem Meer der Gebrauchsgrafik heraus. Heute abend lädt der trinkfeste Geschichtenerzähler zu Ausstellung, Dia-Show, Vortrag und Diskussion. L.R.

Galerie Herold, Neustadtwall 61a, Beginn 20 Uhr.

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