: Wahlschlappe für Exkommunisten
■ Bei den Parlamentswahlen in Litauen verliert die regierende Demokratische Arbeiterpartei ihre Mehrheit
Presov (taz) – Bei den Parlamentswahlen in Litauen hat die regierende Demokratische Arbeiterpartei (LDDP) von Algirdas Brazauskas eine schwere Wahlniederlage erlitten. Nach vorläufigen Ergebnissen kamen die Postkommunisten nur auf rund 11 Prozent der Stimmen, während die nationalistische Heimatunion von Vytautas Landsbergis rund 28 Prozent der Stimmen erhielt. Die Christedemokraten gelangten mit rund zehn Prozent auf Platz 3. Die Fünfprozenthürde nahmen nach den vorläufigen Ergebnissen auch Zentrumsunion und die Sozialdemokraten.
Am Sonntag bestimmten die WählerInnen die Besetzung von 70 Parlamentssitzen, die über Listenwahl vergeben werden. Weitere 71 Sitze werden per Direktwahl in zwei Wochen verteilt. Die Wahlbeteiligung lag bei rund 52 Prozent. Die Auszählung der Ergebnisse hatte sich verzögert, weil das neue Computersystem für die Auszählung offenbar viele der Wahlhelfer überfordert hatte, sagte ein Sprecher der Wahlkommission. Landsbergis hat bereits Gespräche mit den Christdemokraten zur Bildung einer neuen Koalitionsregierung angekündigt. Der einstige Führer der Unabhängigkeitsbewegung Sajudis war 1992, bei den ersten Parlamentswahlen nach der Unabhängigkeit von der Sowjetunion, überraschend von Brazauskas' LDDP geschlagen worden.
Die Arbeiterpartei hat ihren Rückhalt vor allem durch den langsamen Privatisierungsprozeß und eine Kette wirtschaftspolitischer Krisen und Skandale verloren, darunter vor allem die Bankenkrise des letzten Jahres. Auf den Zusammenbruch einiger der größten Geldhäuser hatte die Regierung zögerlich reagiert, später aber den Staat einen Großteil der Bankschulden übernehmen lassen. Auch jetzt gilt Litauens Banksektor als einer der dubiosesten in den Reformländern.
Unsicherheit herrschte unter den WählerInnen auch, weil noch nicht klar ist, ob die Regierung ausreichende Heizenergie für den kommenden Winter bereitgestellt hat. Durch künstlich niedrig festgelegte Preise hatte sie die staatliche Gasversorgung beinahe in den Bankrott getrieben; aufgrund nichtbezahlter Rechnungen hatte der russische Lieferant Gazprom bereits im September die teilweise Einstellung der Lieferungen angedeutet. Zudem hatte die Regierung nur schwache Anstrengungen unternommen, um die Schattenwirtschaft einzudämmen. Deren Anteil an der Wirtschaft schätzen selbst leitende Beamte auf 40 Prozent. Dietmar Bartz
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