: Lächeln oder Nicht-Lächeln auf Tafel-Bildern
■ „Griechen in Hamburg“: Marily Stroux' Fotos in der Finanzbehörde
„Langsam, langsam wird aus der Gurke Honig“ – wo die Lebensweisheiten burlesk und ein wenig dada klingen, sind die Bilder am symphatischsten. Marily Stroux, bekannt als Hafenstraßen-Fotografin, hat wieder einem Haufen Leuten ein Schiefertäfelchen in die Hand gedrückt und sie ihr Lieblings-Motto darauf schreiben lassen.
Neu ist in diesem Fall die Muttersprache der Parolen und derer, die sich dahinterstellen: Waren es im vergangenen Jahr mal Kinder, mal andere, deren „Tafel-Bilder“ es dann auch als 96er Kalender zu haben gab, sind es im Leo-Lippmann-Saal der Hamburger Finanzbehörde am Gänsemarkt Griechinnen und Griechen, die mit der Schultafel posieren. Die Ausstellung Griechen in Hamburg ist Teil der „Tage Griechischer Kultur in Hamburg“, die bereits seit dem Frühjahr laufen.
Im kahlen Ambiente der Behörde lächeln die unbekannten Hamburger Bürger griechischer Herkunft, als gelte es, der Abschiebestadt Hamburg den multikulturellen Sonnenschein des Gastarbeitertums aufs neue nahezubringen. „1962: Auf und davon!“, schreibt die Frau mit der gewaltig getönten Sophia-Loren-Brille, und eine weitere Frau berichtet vom Thema Heimat, zitiert vielleicht auch: „Wo immer ich gehe, trage ich mit mir die Erde von Psiloritis. Ich pflanze die Erde, auf daß die ganze Welt Kreta wird.“ Erholsam und dem kritischen Gewissen eine Genugtuung ist daher die junge Frau, die ganz ohne Verbindlichkeit und vor kahler Wand behauptet: „Freiheit ist, sein Gefängnis selbst aussuchen zu dürfen.“
Unversehens gerät die Möglichkeit der Identifikation mit den Sätzen in den Vordergrund, verschwindet die Bild-Aussage dahinter. Den meisten Fotos ist anzusehen, daß sie in einem Restaurant oder einer Imbißbude, manche auch in einem Reisebüro gemacht worden sind, die Fotos von Kindern und Jugendlichen sind offenbar in einer Schule entstanden. Auf diese Weise bleibt die Selbst-Inszenierung der Abgebildeten auf Lächeln oder Nicht-Lächeln, Lebensweisheit oder Bekenntnis beschränkt, und vielleicht wird ihnen damit auch Unrecht getan.
Ulrike Winkelmann
Finanzbehörde, Gänsemarkt, bis zum 31. Oktober, 10 bis 16 Uhr.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen