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■ VorschlagAus dem "Archiv der Experimente": Steven Dwoskins Filme im Arsenal

Läßt man einige der Kurz- und Experimentalfilme des New Yorkers und Mitbegründers der Londoner „Filmmakers Co-op“, Steven Dwoskin, Revue passieren, so sind die Farbe Rot und eine minutenlang auf Gesichtern und Körperregion verweilende, mehr starrend denn beobachtende Kamera in seinen Filmstudien dominant. Nie gleiten die Aufnahmen ab in den vertrauten Bereich konventioneller Erzählung, die die Anwesenheit einer Kamera verleugnen muß. Mitunter ist das Aufnahmegerät sogar eine sexuelle Persönlichkeit, die die DarstellerInnen in entsprechenden Posen und intimer Tuchfühlung aufnimmt.

Rotstichig reflektiert das madonnengleiche Gesicht einer haarumflorten Frau in „Moment“ (1970) die rubinfarbenen Polster und Laken. Leicht verquält blickt sie fragend, dann glasig verzückt. Die zwölfminütige Studie registriert jede Veränderung des Ausdrucks im immer gleichen Ausschnitt von Hals und Gesicht einer jungen Frau, die außerhalb des Bildes masturbiert. Ähnliche, entschieden voyeuristische Episoden sind „Trixie“ (1969) und „Alone“ (1964), in denen Dwoskins filmische Vorliebe für Überfrauen an Toulouse- Lautrec erinnert. Immense Waden und Schenkel wölben sich, von unten gefilmt, in „Alone“ unter einem Strickkleid hervor, das Ganze in puristisch körnigem Schwarzweiß. Von irgendeinem Ennui befallen, nestelt die Frau, deren existentialistischer Lidstrich und Rollkragen sie retrospektiv zu einer Sixties-Ikone machen, an sich herum oder zupft an einer Irisblüte.

Ein echter filmischer Gewaltakt ist der anderthalbstündige „Central Bazaar“ (1976), der über mehrere Monate in einem Raum mit elf Freiwilligen gedreht wurde. Insgesamt 15 Stunden Material verarbeitete Dwoskin zu einem orgiastischen Maskenball, bei dem bedrogte Groupies, verklärte Hippies und ein Mann mit Helge-Schneider-Haarschnitt ein bißchen fummeln und küssen, daß die Häkeloberteile und bestrapsten Männerbeine nur so hüpfen. Ein weißes Fell, Masken, Xylophon-Klänge vervollständigen die Komposition einer psychedelischen Orgie. Zwölf Flaschen Wein habe man täglich verbraucht, so Dwoskin. Gudrun Holz

24.10., 21 Uhr, „Alone“, Chinese Checkers“, „Moment“, „Trixie“; 26.10., 21 Uhr, „Central Bazaar“, Arsenal, Welserstraße 25

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