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Teures Wechselbad

Erst billig und voll, jetzt teuer und leer: In der Sauna im Spreewaldbad macht sich nach dem Preisanstieg auf dreißig Mark gespenstische Leere breit  ■ Von Michaela Schlagenwerth

Wenn man wärmehungrig aus dem eisigkalten Tauchbecken herausschnellte, waren mit Sicherheit alle Fußbäder belegt, und wenn man ermattet auf eine Liege niedersinken wollte, war meist nur noch ein ungemütlicher Plastikstuhl zu haben. Donnerstag war Frauensauna im Kreuzberger Spreewaldbad, und wer nach fünf Uhr kam, mußte gelegentlich schon an der Kasse eine Stunde auf den Einlaß warten. Natürlich war man manchmal genervt, natürlich hat man sich manchmal geschworen, nächste Woche nicht mehr zu kommen, und natürlich hat man es dann doch getan.

Denn, trotz aller Überfüllung, gemütlich war es eben auch. Alteingesessene SO36-Bewohnerinnen trafen hier regelmäßig ihre Bekannten, türkische Frauen warfen sich nasse Tücher auf den Kopf, und pummelige Frauen boten einem vielleicht einen Schluck ihres aromatisch duftenden Kräutertees an. Aber vor allem war die so außerordentlich gesundheitsfördernde Schwitzerei eines: richtig billig. Zwanzig Mark kostete der Besuch der Sauna, ermäßigt elf, und wer in eine Sammelkarte investierte, konnte gar für den Spottpreis von neun Mark den ganzen Tag in Hallenbad und Sauna vertrödeln.

Ein Deal, von dem allerdings nicht nur die BesucherInnen etwas hatten. Denn viel bieten kann die Spreewaldsauna nicht. Sehr eng ist es, gelinde gesagt, und die einzige Frischluftzufuhr kommt durch einen tunnelartig in die Höhe führenden vergitterten Luftschacht im sogenannten Feiluftraum. Für das wenige Geld war man es zufrieden, und wenn alles mit rechten Dingen zugegangen ist und nicht schwere verwaltungstechnische Fehler gemacht wurden, dann hat die Betreiberin, die Stadt Berlin, mit ihrem billigen Minimalangebot auch schwarze Zahlen geschrieben.

Bademeisterinnen auf der Suche nach Gästen

Früher waren die Bademeisterinnen, die unentwegt nachzählten, ob sie wegen Überfüllung schließen mußten oder den nächsten Schub hineinlassen konnten, oft genervt. Heute wird man von wärmster Begrüßungsfreude eingehüllt. Kein Wunder, ist man doch fast die einzige Besucherin. „Was war hier doch früher für ein Leben!“ sagt denn auch die ältere Dame, die einzige hier außer mir, die mich, als ich die Sauna betrete, zunächst mit erschrockenen Augen anschaut und froh ist, als ich sie anspreche.

Etwas anderes, als miteinander zu reden, bleibt einem angesichts der gespenstischen Leere auch gar nicht übrig. Alle Dreiviertelstunde kommt die Bademeisterin mit einem Eimer Wasser. Es ist Zeit für die Aufgüsse in den zwei Saunen, in denen sich niemand aufhält. „Das muß ich machen“, sagt sie, „weil es so angeschrieben steht.“

Dreißig Mark kostet der Saunabesuch heute, ermäßigt zwanzig. „Für 35 Mark“, sagt eine weitere ältere Dame, die sich nach einer Stunde zu uns gesellt und „nur aus Versehen hier ist“, „gehe ich mit meiner Freundin in die Sauna des Schweizerhofs. Und was bekomme ich dort alles geboten!“ Mehr als die Spreewaldsauna bietet jeder private Badebetrieb, und zwar bei ungefähr gleichen Preisen. Das wissen auch die ehemaligen BesucherInnen. Hanna B., ehemals Stammgast und heute zum letztenmal auf ihrer alten Sammelkarte hier, will fortan statt einmal wöchentlich nur noch einmal im Monat schwitzen gehen, sonst ist es zu teuer. Aber dafür will sie es dann etwas luxuriöser.

Die Preise sind erhöht – aber verloren haben alle. Intelligentes Sparen funktioniert anders. Anstatt daß die verschuldete Stadt ihre Einnahmen steigert, wird sie bei diesem ehemals florierenden Saunabetrieb in Zukunft ordentlich draufzahlen müssen. Frei nach dem Motto „Wie mache ich leere Kassen noch leerer?“ Und den Schlechterverdienenden – die Besserverdienenden gingen sowieso woanders hin – ist ein Ort genommen worden, wo sie ihrem Portemonnaie entsprechend Leib und Seele pflegen konnten. „Heute beneiden mich die jungen Kollegen hier um mein Alter“, sagt die Bademeisterin, als ich gehe. „Was soll bloß aus der Zukunft werden?“

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