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■ QuerspalteWie der Kaiser regiert

Ausgerechnet der sonst selten hellsichtigen Wochenpost gelang vor zirka einem Jahr anläßlich Franz Beckenbauers fünfzigstem Geburtstag ein Kunstschuß in den Winkel. Der Libero a.D. sei ein „Symbol des Spätkapitalismus im Zeitalter seiner Refeudalisierung“, schrieb sie seinerzeit.

Wie wahr das ist, zeigt ein Text in Sport-Bild. Seine Kerninformation: Der Angestellte Klaus Augenthaler, einer von drei Co-Trainern beim von Beckenbauer geführten FC Bayern München, wird die Firma im Sommer 1997 verlassen. Allerdings nicht, weil der Konzern dem Angestellten mangelhafte Arbeit vorwirft oder „die Chemie“ nicht stimmt. Auch Augenthaler selbst will, wie seine Herumdruckserei in einem ARD-Interview belegt, eigentlich keinen neuen Job.

Dennoch hat's einer verfügt: der, den sie Kaiser nennen, und der irgendwann zu glauben begann, er sei wirklich einer. Er will, daß sich „Auge“ anderswo das Rüstzeug für den Job des Bayern-Chefcoaches holt. „Ich habe gesagt: ,Klaus du kannst nicht ewig Assistent beim FC Bayern bleiben ... Du hast ausgelernt. Du bist in der Lage, selbständig eine Mannschaft zu führen‘“, zitiert das Fachblatt den Präsidenten. Nur der Monarch weiß halt, was für seine Untertanen gut ist.

Angebote habe er noch nicht, gestand Augenthaler in besagtem Interview. Wieso Angebote? Der Trainer-Assistent hat die Spielregeln offensichtlich nicht begriffen. Demnächst wird sich Franz Beckenbauer beim Frühstück in Kitzbühel einen namhaften europäischen Klub auswählen, der nach seiner Ansicht einen neuen Cheftrainer benötigt. Kurz darauf wird er über Autotelefon einen Golfspieler, Medienarbeiter oder Feierabend- Esoteriker seines Vertrauens anrufen, der beim betreffenden Verein genug Macht hat, um Klaus Augenthaler den Job zu verschaffen. Von derart einflußreichen Personen kennt Beckenbauer nämlich mehr, als Augenthaler Bundesligatore geschossen hat. „Auge“, früher auch Libero, traf 52mal – achtmal öfter als der Mann, der heute sein Massa ist.

René Martens

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