piwik no script img

Nackt vor alten Mauern

■ Ein Workshop des "Arbeitskreises künstlerische Aktfotografie e. V."

Hinter der schmiedeeisernen Tür führt die weiße Marmortreppe des alten Landschlosses hinauf zu einem trockengelegten Springbrunnen, in dem sich zwei nackte Schönheiten räkeln. Janine* und Bianca* arbeiten als Models für den Fotoworkshop „Aktfotografie im Schloß Beesenstedt“, organisiert vom Arbeitskreis künstlerische Aktfotografie e. V. Berlin.

Zwölf Fotografen, Profis und Amateure, kamen nach Beesenstedt bei Halle, um ein Wochenende nackte Frauenkörper kombiniert mit nostalgischen Interieurs auf Zelluloid zu bannen. Beim Wort „Aktfotografie“ klingelt es in vielen Köpfen: verklemmte Spießer, geile Lüstlinge, wenn nicht Schlimmeres ... Genau mit diesen Vorurteilen will Horst Werner, Profi-Fotograf aus Kreuzberg und Initiator des Arbeitskreises, aufräumen. Seine Vision besteht darin, „die Darstellung des nackten Körpers von moralischen Vorurteilen zu befreien“. Nur, was ist Akt und was Pornografie? Unter den Teilnehmern laufen heiße Debatten darüber, ob ein Aktfoto farbig sein darf, erotisch sein kann, oder ob es eine „Aussage“ haben muß.

Janine läßt sich zum ersten Mal nackt fotografieren. Nach sechs Stunden anstrengenden „Posens“ ist sie ausgepowert und will nur noch zurück nach Berlin. Ein Foto für eine Tageszeitung? „Das steht nicht im Vertrag drin.“ Name und Alter verrät sie auch nicht. Sie will auf keinen Fall, daß halb Berlin von ihrem Nebenjob erfährt. Auch ihre Kollegin Bianca hat sich den Traumberuf Model anders vorgestellt: „Da wuselt ein Haufen Fotografen um dich herum, sie geben dir dauernd Anweisungen, und wie du es machst, ist es falsch. Das ist purer Streß.“ Zum Akt-Model gehört eine gute Portion Exhibitionismus, und die fehlt Bianca und Janine noch. Aber nicht für die Mädchen, sondern auch für die (meist älteren und männlichen) Fotografen ist das „Shooting“ Arbeit. „Da herrscht richtiger Konkurrenzdruck“, meint Rolf Thomas, der einzige Einheimische in der Gruppe. „Du mußt dich vordrängeln, ohne Ellenbogen geht da nichts. Und wenn ich dann eine Position hatte, und abdrücken wollte, ruft jemand: ,Heb doch mal den Arm ein bißchen‘ – und weg war mein Bild.“ Der Mann aus Halle hat nur drei Filme verarbeitet. Das ist wenig für ein ganzes Wochenende, inklusive einer Nachtsession vor loderndem Kamin und der rothaarigen Birgit* auf dem Bärenfell. Ein bißchen Klischee gehört dazu.

Das Schloß mit seinen 150 Zimmern, ehemalige Ausbildungsstätte des FDGB-Bundesvorstandes, ist noch relativ gut in Schuß. Im „Roten Salon“ hängen überlebensgroße Köpfe der Helden des Arbeiter- und Bauernstaates, aber das finden einige Fotografen erst recht reizvoll. In einer Ecke stauben Ausgaben des Neuen Deutschland vor sich hin, und in den Diaprojektoren ist die „Tonbildschau: Unser Lied die Ländergrenze überfliegt“ beim letzten Vortrag steckengeblieben. Eine Fundgrube für DDR-Nostalgiker. Konstanze Kleiner, das „Best Girl“ des Schlosses, dekorierte diesmal auf „Landhausstil“. In den Ecken der Säle liegen Erntesträuße aus Korn, gebündelte Sonnenblumen, in Tonschalen schwimmen Rosenblüten und Kerzen. Grobe Bastkörbe quellen über mit Karotten, Gurken und Tomaten frisch vom Land, auf den schwarzen Flügel sind Blüten einer Sommerwiese gestreut. Frische Früchte harmonieren gut mit knackigen Models – perfektes Stilleben auf dem Land. Bei den Teilnehmern kommt die Biederkeit gut an. Ästhetisch soll es sein.

„Das Schloß habe ich bewußt ausgesucht, weil wir hier in aller Ruhe arbeiten können. Die Innenausstattung und die besondere Aura des Gebäudes sind für unsere Zwecke einfach ideal.“ In der PR- Broschüre „Chambres closes statt Pleinair“ beschreibt Horst Werner die Spannung, „eine Schönheit, die im Bild immer als gewesene gesehen wird, mit der Sterblichkeit der pittoresken Orte und Gemäuer“ zu konfrontieren – „Geschichte und Verfall inbegriffen“.

Die reizvolle Umgebung des „Basislagers Beesenstedt“ biete zudem enorme Möglichkeiten für längere Sommerworkshops, meint er. Schließlich sollen hier keine simplen Pin-ups entstehen, sondern anspruchsvolle Kunstwerke, die noch bis zum 6. November in einer Ausstellung in der Fotogalerie „Bei den 5ünf Sinnen“ in der Brüderstraße 6 in Halle zu sehen sind. Als nächstes Projekt steht der Workshop „Tanz und Bewegung“ mit Tänzern der Komischen Oper Berlin auf dem Programm. Birk Engelhardt

Unter der Internet-Adresse http:// www.icf.de/aka stellen derzeit 14 FotografInnen des „Arbeitskreises Akt e. V.“ Arbeiten aus.

* Namen geändert

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen