■ Vertreibungspolitik in Zaire provoziert Massenflucht
: Flüchtlinge als Spielball

Wenn Minderheiten ohne Rechte bleiben, fangen sie an, sich zu wehren. Die Rebellen der 400.000 Angehörigen der Tutsi-Gruppe der Banyamulenge, die Zaire ausweisen will, obwohl sie seit über 200 Jahren auf zairischem Boden leben, tun es mit Waffengewalt. Sie sind offensichtlich gut genug gerüstet, um gegen die zairischen Soldaten Widerstand zu leisten. Deshalb wird die zairische Armee jetzt aus dem Siedlungsgebiet der Banyamulenge zurückgedrängt.

Die zairische Minderheitenfrage hatte sich nach dem ruandischen Genozid 1994 und dem Massenexodus von Hutus nach Zaire zum Problem zwischen Hutu und Tutsi entwickelt. Der Haß der Völkermörder wurde nach Ostzaire getragen und richtete sich auch gegen die zairischen Tutsi-Minderheiten. Die Duldung der für den Völkermord verantwortlichen ruandischen Hutu-Milizen durch das zairische Regime hatte die Beziehungen zwischen Zaire und der neuen Führung in Ruanda eisig bleiben lassen. Die Milizen konnten sich in Zaire neu ausrüsten. Nachts sabotierten und mordeten sie in Ruanda. Wenn es stimmt, daß ruandische und burundische Tutsi in Zaire einfallen, um Flüchtlingslager aufzumischen, wäre dies das Resultat der in Ruanda als unerträglich empfundenen Situation – der Torpedierung eines versuchten Aussöhnungsprozesses zwischen beiden Ethnien. Auch für die burundischen Hutu-Milizen dienten die Flüchtlingslager im Dreiländerdreieck Zaire, Ruanda und Burundi als Operationsbasen.

Die jetzt im Osten von Zaire ausgelöste Flüchtlingswelle von einer viertel Million Menschen ist das Ergebnis einer xenophoben Minderheitenpolitik und einer von Zaire tolerierten Destabilisierung Ruandas. Wenn nun Zaires Präsident Mobutu Sese Seko den Weltsicherheitsrat um Hilfe gegen eine „internationale Verschwörung“ bittet und seine Landsleute zum Geldsammeln für den Krieg in Ostzaire aufruft, verschleiert er nur seine Strategie zum Machterhalt. Schließlich konnte Mobutu erst durch den Massenexodus aus Ruanda auf das internationale Parkett zurückkehren. Die Flüchtlingswelle verdeutlicht außerdem einmal mehr die enorm angespannte Lage der Region. Flüchtlingslager mit über einer Million ruandischen Hutu-Flüchtlingen an den Grenzen zu Ruanda werden immer Unsicherheit schüren. Solange sie nicht reintegriert werden, können sie jederzeit als Spielball der Politiker mißbraucht werden. Ludwig Sarasin