: Die 23 Bezirke werden zerschlagen
■ Die Pläne des Senats, die Bezirke aus Kostengründen von 23 auf 12 zu verkleinern, damit Kosten eingespart werden, stoßen auf Ablehnung. Erich Pätzold: Erst die Verwaltungs- dann eine Gebietsreform
Die Gebietsreform der Bezirke findet keine Freunde. Schon wenige Tage nach dem Beschluß des Senats, aus 23 Bezirken zwölf zu bilden, hat die SPD-CDU-Regierungskoalition die dafür erforderliche Mehrheit im Abgeordnetenhaus verloren. Vier Abgeordnete von SPD und CDU erklärten am Wochenende, dem Vorhaben ihre Stimme zu verweigern. Auch der Rat der Bürgermeister wird nach Informationen der taz heute in einer Sondersitzung zu den Kürzungsbeschlüssen des Senats sein negatives Votum zur Gebietsreform erneuern.
Der Senat hatte beschlossen, aus Kostengründen die Bezirksgrenzen neu zu schneiden. Dadurch könnten rund 170 Millionen Mark eingespart werden, heißt es aus der Innenverwaltung von Jörg Schönbohm (CDU), der bereits Mitte November ein Gebietsreformgesetz vorlegen will, um die Verfassung zu ändern. SPD und CDU liegen im Parlament rechnerisch aber nur vier Stimmen über der dafür nötigen Zweidrittelmehrheit.
Der Streit um die Bezirksgrenzen ist so alt wie das 1920 geformte Groß-Berlin. Schon damals wehrten sich Städte wie Neu-Cölln oder Charlottenburg, ihre kommunale Selbständigkeit zugunsten der Einheitsgemeinde aufzugeben.
Der Tiergartener Bezirksbürgermeister Jörn Jensen (Bündnis 90/ Die Grünen) befürchtet sogar, daß die Gebietsreform auf die gänzliche Zerschlagung der Bezirke hinausläuft. Der beschlossene 12er-Zuschnitt solle nachweisen, „daß die Bezirke nicht funktionieren“, sagte Jensen auf einem Forum des August-Bebel-Instituts zu der umstrittenen Bezirksgebietsreform. Die Verwaltungen der Einzelkommunen seien mit Reformen wie der Einführung von Globalhaushalten und dem inneren Verwaltungsumbau beschäftigt. Kämen mit der Gebietsreform noch veränderte Bezirksgrenzen hinzu, würde die Administration „ins totale Chaos gestürzt“. Der ehemalige Innensenator Erich Pätzold (SPD) teilt Jensens Bedenken. „Es wird Zeit, nun endlich die Hauptverwaltung in Ordnung zu bringen“, sagte Pätzold auf der Veranstaltung.“ Im Gegensatz zu den Bezirken habe sich die Ministerialbürokratie des Senats beharrlich verweigert, sich am Umbau zu mehr Kosteneffizienz und Bürgernähe zu beteiligen. Nach wie vor zählt die Ministerialbürokratie des Senats rund 6.000 Staatsdiener – doppelt so viele wie in Bundesländern mit vergleichbarer Einwohnerzahl. In den Bezirken, der eigentlichen Serviceebene der Verwaltung, sollen weitere 1.900 Stellen wegfallen.
„Erst die Verwaltungsreform, dann die Gebietsreform“, forderten Pätzold und andere Diskutanten. Pätzold nannte die Diskussion um die Gebietsreform „verlogen und inkompetent“. Niemand könne sagen, wieviel Einsparungen eine Gebietsreform nach sich ziehe. Der Verwaltungsexperte der SPD bezweifelte die Angaben der Innenverwaltung und des Rechnungshofs, nach denen die Auflösung eines Bezirks rund 16 Millionen Mark einbringe.
Auch die Unternehmensberaterin von Price Waterhouse, Sabine Smentek-Lewitz, bestreitet das: „Sämtliche angegebenen Einspareffekte könnten so falsch wie richtig sein“, sagte sie, weil die Bürokratie bislang gar nicht wisse, welche Kosten sie verursache. Dies werde erst im Zuge der Verwaltungsreform deutlich, die klar von der Gebietsreform abzugrenzen sei.
SPD-Fraktionschef Klaus Böger (SPD) verteidigte beim August-Bebel-Forum ausdrücklich die Gebietsreform. Berlin werde profitieren, wenn es diese Frage endlich kläre. Christian Füller
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