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Ein bißchen überheblich

■ Der VfB zeigt Gladbachern fünfmal, wie man Theorie in Praxis umwandelt

Stuttgart (taz) – Milde und geblendet vom Glanz der eigenen Möglichkeiten spielten sich die Spieler des VfB Stuttgart die Bälle zu. Die Pässe wollten nicht ordinär geschoben, sondern mit dem Außenrist geschnibbelt sein. Die Vorlagen keinesfalls ordinär gestoppt, sondern direkt in zentimeterkurze Kombinationen eingepaßt sein. Und aufs Tor schießt man selbstverständlich per Seitfallzieher.

Doch wie die Sonne das ausverkaufte Neckarstadion golden durchschien, es schon nach zweieinhalb Minuten 1:0 für den VfB stand, wirkten die luxuriösen Spielansätze des Meisterschaftsaspiranten ein wenig theoretisch und, tja, überheblich. Den effenberglosen Gegner aus Mönchengladbach jedenfalls nahmen sie nicht ernst. „Hinterher war die Sonne weg, da mußten wir uns wieder bewegen“, meinte Fredi Bobic und guckte wie einer, der auf den Lacher wartet. Haha!

Aber die Lacher gingen sowieso alle auf Kosten der Borussen. Wagten sie es nach der Halbzeit doch, den Gegner durch zwei ernsthafte Angriffe zu wecken. Nicht, daß sie den Eindruck gemacht hätten, ihr erstes Auswärtstor der Bundesligasaison zu schießen. Aber danach verwandelte der VfB Theorie in Praxis.

Er spielte so, wie er vorher hatte andeuten lassen, daß er spielen würde, wenn er das Gefühl hätte, daß es notwendig wäre. „In den Rausch gespielt“ nannte VfB-Trainer Löw das hernach. Und für die letzte halbe Stunde stimmte es sogar: Bobic, Elber, Balakov und magisches Trallala im Minutentakt. „Bei uns sind nach dem 2:0 alle Dämme gebrochen“, gab Gladbachs Bernd Krauss zu und schaute traurig über die kleinen Pyramiden aus Joghurtbechern und Puddingschälchen hinweg, hinter denen man bei VfB-Pressekonferenzen die Trainer versteckt.

Dann begab sich Krauss flugs gedanklich in eine bessere Zukunft. Martin Dahlin wird sich bei seiner Rückkehr vom AS Rom wie ein Erlöser fühlen dürfen. Krauss rechnete – „in den meisten Spielen hatten wir fünf hundertprozentige Chancen, da hätte Martin zwei immer gemacht“ – sogar eine konjunktivische Retrospektive vor. Da es aber leider keine Wenn-Martin- Dahlin-mitgespielt-hätte-Tabelle gibt, ist der selbsternannte Titelkonkurrent zur Zeit echt nur Zwölfter. Christoph Biermann

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