: Die neuen Leiden des jungen U.
Großes Theater um Harburger Bezirksamtsleiterwahl: Intime Plaudereien, Intrigen und angebliche Erpressungen sorgen für Spannung ■ Von Marco Carini
Komödienstadl Bezirksamtsleiterwahl. Nachdem in den vergangenen Monaten die Wahlen zum Verwaltungschef in Altona, Nord und Eimsbüttel für immer neue Kapriolen sorgten, mag nun auch die Harburger Politbühne mit ihrer komödiantischen Inszenierung des leicht angestaubten Stoffes nicht nachstehen. Wer glaubte, das Thema sei ausgereizt, sieht sich getäuscht: Südlich der Elbe hat die Politiker-Laienspielerschar eine neue, überraschend frische Variante des Hamburger Klassikers in Szene gesetzt.
Der Bezirksamtsleiter und damit Hauptdarsteller der Harburger Provinz-Posse heißt Michael Ulrich. Der Mann gibt seine Lieblingsrolle schon seit geraumer Zeit und möchte sie auch gern die nächsten sechs Jahre ausfüllen. Doch dazu fehlt dem guten Ulrich – der Wähler hat für Spannung gesorgt – genau eine Stimme. Von 40 Sitzen im Bezirksparlament besetzt Ulrichs SPD genau 20, genausoviel wie CDU, GAL und rechte UVP zusammen. Doch die wollen die Hand für Ulrich partout nicht heben.
Um auch in der kommenden Spielzeit die Hauptrolle zu spielen, wurde Ulrich als Missionar in eigener Sache tätig. Er lud den GAL-Bezirks-Abgeordneten Leo Abbing zu sich nach Hause ein, servierte ihm Speis, Trank und wohlklingende Worte – und siehe da: Der Grüne wurde plötzlich rot. „Ich wähle Sie“, hauchte Abbing seinem Gastgeber schließlich zu, der wiederum steckte auserwählten Parteifreunden: Alles geritzt, Mehrheit gesichert.
Erst danach, Ende vergangener Woche, unterrichtete Abbing seine Partei, daß er für Ulrich die Hand heben wolle. Im angeregten Gespräch wurde ihm klar, berichtet Abbing, „daß mein Votum die GAL in eine Krise stürzen könnte“. Reumütig setzte sich der Geläuterte Freitag nacht an seine Schreibmaschine, um der Welt schriftlich kundzutun, daß er nun doch nicht für den Amtsinhaber votieren wolle. Unter Druck gesetzt, o nein, so versichert Abbing inbrünstig, wurde er von niemandem.
Der Harburger Sonnenkönig Michael Ulrich aber steht nun plötzlich im Regen. Denn auch die CDU mag nicht für ihn stimmen, sie plant gar, die Wahl zu schwänzen. Denn irgend jemand – und es ist wirklich nicht nachzuvollziehen, wer – brachte das Gerücht in die Öffentlichkeit, die Harburger CDU-Vizefraktionschefin Inge Ehlers sei von ein paar bösartigen Sozialdemokraten unter Druck gesetzt und zur Stimmabgabe erpreßt worden.
Wenn sie Ulrich nicht wähle, soll da gedroht worden sein, könne ihr Mann, der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Karl-Heinz Ehlers, seinen Job als Chef der städtischen Immobiliengesellschaft „Sprinkenhof AG“ verlieren. Denn Ehlers war vor kurzem unangenehm aufgefallen, als er seine Nobelkarosse in Rathausnähe auf einem Behindertenparkplatz geparkt und dreist den Schwerbehindertenausweis seines Vaters unter der Windschutzscheibe plaziert hatte.
Nach diesem Vorspiel will nun Inge Ehlers die heutige Bezirksamtsleiterwahl boykottieren und ihre Fraktion boykottiert solidarisch gleich mit. Der Showdown der Inszenierung findet ab 17.30 Uhr im Harburger Rathaus statt – frühes Kommen sichert gute Plätze.
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