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Keine Arbeit, kein Streik

Gestern demonstrierten 400 der 82.000 Hamburger Erwerbslosen / DGB-Chef Erhard Pumm im Interview: „Kohl regiert nun mal“  ■ Von Stefanie Winter

Sie hatten sich den Weltspartag ausgesucht, an dem „die Reichen ihren Reichtum feiern“, wie es Helmuth Diekwisch formuliert. Er ist Vorsitzender des Hamburger Vereins zur Betreuung von Arbeitslosen, der gestern in Hamburg mit dem DGB zum bundesweiten „Aktionstag der Erwerbslosen“ aufgerufen hatte. Nur etwa 400 der rund 82.000 arbeitslosen Männer und Frauen in Hamburg demonstrierten gestern gegen die Sozialpolitik des Bundes, die nicht nur Erwerbstätige immer stärker drangsaliert.

Als Ort für Aktionen und Kundgebungen hatten sie den Adolphsplatz im Börsenviertel gewählt, an dem Handelskammer und Deutsche Bank ihr Wesen treiben. Gerade hier und heute müsse auf die „soziale Schieflage“ im Land aufmerksam gemacht werden, meint Diekwisch. Ein Teil der Demonstranten mischte sich zu diesem Zweck unter die Bankkundschaft, um am Schalter einige „peanuts“ einzuzahlen. Die Beschäftigten reagierten mit Verwirrung, eine mit der prompten Schließung ihres Schalters, eine andere drückte – nach Rücksprache – beherzt einen Stempel auf den Einzahlungsschein.

Während der Konflikt um die hundertprozentige Lohnfortzahlung bei Krankheit viel Beachtung findet, werden fast stillschweigend auch die kargen Bezüge von Arbeitslosen noch weiter beschnitten. Mit jedem Jahr der Erwerbslosigkeit wird zukünftig die Arbeitslosenhilfe um drei Prozent gekürzt, Abfindungen bei Arbeitsplatzverlust werden bis zu 75 Prozent angerechnet, ABM-Entgelte entsprechen nur noch 80 Prozent des Tariflohns. Nachgedacht wird in Bonn derzeit auch darüber, für die erste Woche der gemeldeten Arbeitslosigkeit keine Unterstützung zu leisten und Leistungen generell zu versteuern.

taz: Mehr als 82.000 Menschen in Hamburg sind arbeitslos, nur einige hundert haben sich am Aktionstag beteiligt. Zielt die Politik der Gewerkschaften an den Betroffenen vorbei?

Erhard Pumm: Arbeitslose treten in der Regel nicht öffentlich auf. Ihre Arbeitslosigkeit ist ein verdecktes gesellschaftliches Problem. Wir wollen dies ändern – über Aktionen, die von der Bevölkerung als sympathisch empfunden werden und die dennoch die Problemlage deutlich machen.

Wenn man dies an speziellen Tagen tut, die an das übrige „Nischenprogramm“ wie den „Tag des Kindes“ anknüpfen, tritt man damit angemessen in Erscheinung? Müßte es nicht regelmäßig Proteste geben?

Wir haben erst vor vier Wochen eine ähnliche Veranstaltung vor dem Arbeitsamt durchgeführt. Dadurch wird zumindest auf die Thematik aufmerksam gemacht. Ich glaube nicht, daß es angebracht ist, mit einem riesigen Kraftaufwand viele Arbeitslose zu mobilisieren. Im Moment können wir das noch nicht.

Wie Sie aber selbst sagen, wird bereits seit Jahren stets von den Schwächsten gefordert, den Gürtel enger zu schnallen. Reichen vereinzelte „sympathische“ Aktionen dagegen aus? Ist das Gegenteil – ein Generalstreik – für Sie eine Alternative?

Sozialabbau ist eine politische Sache. Und die Menschen wählen sich diejenigen, die sie regieren. In diesem Land haben sie Helmut Kohl gewählt. Kohl hat eine Mehrheit, die man nicht wegstreiken kann. Ich würde mir allerdings wünschen, daß die einzelnen Gewerkschaften sich terminlich in ihrer Tarifpolitik mehr abstimmen, damit die Kraft der jeweiligen Tarifauseinandersetzungen gebündelt wird. Auch damit könnte man eine Wucht entwickeln, die es in sich hat.

Der DGB erinnert Handel und Handwerk regelmäßig an ihre Verantwortung, Ausbildungsplätze zu schaffen. Warum bietet der DGB selbst keine Ausbildungen an?

Wir bilden Rechtsschutz- und Gewerkschaftsekretäre aus. Und ich bezweifle, daß Herr Schües (Präses der Hamburgischen Handelskammer, d. Red.) mir schriftlich geben könnte, daß beim DGB ausgebildete Bürokaufleute später in der Privatwirtschaft einen Arbeitsplatz bekämen, ohne daß ihnen der „Stempel DGB“ dabei sehr hinderlich sein würde. Dennoch sollte sich unsere Zentrale in Düsseldorf dieser Thematik angesichts der Ausbildungsplatzmisere nochmals annehmen. Allerdings darf die Ausbildungsverpflichtung der Wirtschaft dabei nicht aus dem Blick geraten – und das ist häufig der Zweck einer Kritik an den Gewerkschaften. Fragen: win

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