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■ Verurteilung des chinesischen Regimekritikers Wang DanLippenbekenntnisse allein helfen nicht

Das Urteil gegen Wang Dan – elf Jahre Haft wegen „Verschwörung zum Sturz der Regierung“ – überrascht nicht. Schon die dafür vorgeschriebene Mindesstrafe liegt bei zehn Jahren. Trotzdem ist das Urteil nicht minder empörend.

Der schnelle Ablauf des Verfahrens spricht dafür, daß das Urteil bereits vorher feststand. Nach Angaben der Mutter Wangs, die ihren Sohn vor Gericht vertrat, war das Urteil eine Kopie der Anklage – eine Verhandlung fand nicht statt. Empörend ist das Urteil auch, weil Wang nach Meinung von Menschenrechtsorganisationen bei seiner Kritik an der Regierung sich im Rahmen der chinesischen Gesetze bewegte. Gleichzeitig verstieß die Regierung durch die Nichtzulassung von internationalen Beobachtern gegen die von ihr unterzeichnete UN-Menschenrechtserklärung. Wang muß dafür büßen, daß er den Führungsanspruch der Kommunistischen Partei hinterfragt hat.

In den letzten Wochen haben sich viele Organisationen und Politiker vergeblich für Wangs Freilassung eingesetzt. Die chinesische Regierung demonstriert gegenüber dem Ausland jetzt selbstbewußt, daß sie sich mit internationaler Kritik an Menschenrechtsverletzungen nicht ernsthaft auseinandersetzen will.

Offenbar muß Peking keine internationalen Konsequenzen befürchten. Dies zeigen auch die Reaktionen auf den „Menschenrechtsdialog“ der Bundesregierung, der auf taube Ohren stößt. Neben dem Besuch einer Armeeeinheit sprach Bundeskanzler Kohl im letzten November auch das Schicksal politischer Gefangener an. Wenig später wurde der Dissident Wei Jingsheng zu 14 Jahren Haft verurteilt und der deutsche Journalist Henrik Bork ausgewiesen. Letzte Woche sprach der deutsche Außenminister in Peking den Fall Wang Dan an, nach Kinkels Worten auf „nichtkonfrontative Weise“. Kaum ist der Minister abgereist, wird der Regimekritiker verurteilt. Der Erfolg des „Menschenrechtsdialogs“ der Bundesregierung scheint fast nur darin zu bestehen, daß die Dissidenten nicht schon während des Besuchs aus Bonn verurteilt werden. Als nächstes will Roman Herzog in der zweiten Novemberhälfte nach Peking reisen. Ob ihm die Menschenrechte mehr als nur ein „nichtkonfrontatives“ Lippenbekenntnisse wert sind? Sven Hansen

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