: Knackige Werbebotschaft
■ betr.: Lufthansa-Werbekampagne „3,7 l auf 100 km“
Jetzt können wir uns endlich ruhigen Gewissens in den Flugzeugsesseln zurücklehnen: „Nur“ 3,7 l Kerosinverbrauch pro Person auf 100 km verheißt uns die Lufthansa dieser Tage auf ganzseitigen Anzeigen. Wenn das keine knackige Werbebotschaft ist: Wer öfter fliegt, verhält sich umweltverträglicher als AutofahrerInnen! Leider ist das eine grobe Fehlinformation. Die Zahlen geraten nämlich in ganz andere Dimensionen, wenn man einen Blick auf konkrete Flugreisen wirft: Bei den Kurzstreckenflügen liegt der Verbrauch schon bei 12 Liter pro einhundert Personenkilometer. Und wer sich den Luxus von Fernflügen leistet, hat die persönliche Ökobilanz für den Rest des Lebens mit Sicherheit verpatzt: Auf einer Flugreise nach Thailand verbraucht jede Person sage und schreibe 900 Liter Kerosin. Mit dem gleichen Energieverbrauch könnte man 20 Jahre lang einmal jährlich Urlaub in Europa machen (zum Beispiel mit der Bahn nach Florenz).
Natürlich veröffentlicht Lufthansa diese anderen Zahlen nicht. Warum sollte sie auch, wenn doch eine oberflächliche Imagewerbung zuverlässig beim Gang ins nächste Reisebüro wirkt. Was mich daran ärgert, ist vor allem der politische und gesellschaftliche Hintergrund solcher Anzeigenkampagnen. Auf der einen Seite verspricht die Bundesregierung, die CO2-Emissionen bis zum Jahr 2005 um 25 Prozent zu reduzieren; auf der anderen Seite sieht sie den atemberaubenden Wachstumsprognosen für den Flugverkehr tatenlos zu. Würde der Subventionierung des Flugbenzins endlich Einhalt geboten, wäre ein Flug nach Thailand schon 550 Mark teurer. Solange die Regierung hier stur ist, muß die Veränderung von der Gesellschaft ausgehen: Ein Flug zum Shopping nach New York oder ein Ein-Tages-Kurztrip zur Mitternachtssonne ist eben nicht chic, sondern schlichtweg rücksichtslos gegenüber unseren Kindern und Enkelkindern, die der drohenden Klimakatastrophe ausgesetzt sein werden. Und auch der Griff zum Katalog für Flugreisen bei der Planung des Jahresurlaubs sollte nicht mehr so selbstverständlich sein. Der Reiz eines Urlaubs der kurzen Wege muß wieder Gesprächsthema in den Kneipen und Wohnzimmern werden. Zu guter Letzt sei auch die Lufthansa nochmals angesprochen: Denn gesellschaftliche Verantwortung endet nicht vor Unternehmenstoren, und wer Werbekampagnen lanciert, darf die Augen nicht davor verschließen, welche Trends damit heraufbeschworen werden. Halo Saibold, MdB, Vorsitzen-
der des Ausschuß für Tourismus
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