Die Birne in der Blechdose

■ Putzige Reispapierlämpchen oder strahlende Äpfel. Licht darf alles sein, nur nicht kalt und schrill. Hauptsache die Mischung stimmt. Ein Besuch beim Lampenprofi

„Zehn Jahre Reispapierkugeln sind genug“, behauptete Betty. Das war nach ihrer Scheidung. Und so trug es sich zu, daß ich mich gemeinsam mit meiner Freundin auf die Suche nach dem gewissen Etwas begeben durfte. In ihrem nunmehr auch frisch renovierten Wohnzimmer sollte es schlicht und einfach Licht werden. Doch so schlicht und einfach, wie sie dachte, war das mit der Lampenfindung nicht. „Früher“, sagte Betty, „hatte Licht irgendwie immer auch eine Botschaft.“ Ja, die Wohlstandskronleuchter. Oder die in der Blechbüchse versenkte Glühbirne als Konsumprotest. „Oder die rote Birne in der Schlafzimmerlampe ...“, seufzte sie. Oder zehn Jahre Reispapierkugel. Ich wußte Bescheid.

Aber heute? „Weichheit und Harmonie“, meinte der Lampenverkäufer. Darauf käme es an. Die Alternativen zur herkömmlichen Deckenleuchte dürften dabei ruhig etwas kesser ausfallen. Leuchtschwalben oder strahlende Äpfel, Niedervoltsysteme mit Ministrahlern setzen Akzente. Das Ganze ergänzt mit Steh- und Tischleuchten auf Chromfüßen und mit weißen oder farbigen Glasschirmen, verbreite eine wohnliche Stimmung. Selbst Lampen aus Reispapier, wenn auch nicht gerade als raumbestimmende Kugel, sondern als kleine Hintergrundleuchten, seien wieder groß in Mode. Auch wenn man regelrechte Lichtblicke in den meisten durchschnittlichen Möbelhäusern vergeblich suche – auf die richtige Mischung dessen, was man selbst dort findet, käme es an, sprach der Berater. Licht dürfe alles sein, nur nicht kalt oder schrill.

Lampen mit kleinen farbigen Stoffschirmen auf gewellten Metallrohren oder Alu in Kombination mit Kunststoffschirmen gibt es derzeit in zig Variationen. Ebenso markante Mischungen sind Holz, Alu und sandgestrahltes Glas. Grundbedingung: Die Lampen wirken an sich, auch wenn sie nicht leuchten.

Sogar am Arbeitsplatz soll es kuschelig sein. Nur so kommt man zum Erfolg. Natürlich brauche es eine unaufdringliche Helligkeit und blendfreies Arbeitslicht. Eine nicht ganz preiswerte Angelegenheit, wie Betty pikiert feststellte. Doch glücklicherweise hatte sie vorerst nur die Reispapierkugel entsorgt. „Die alte Schreibtischbeleuchtung muß es wohl noch eine Weile tun.“

Nur interessehalber könne man sich aber auch mal wegen der anderen Räume informieren. Der Lampenverkäufer war in seinem Element: Stehlampen mit Pergamentschirmen erzeugen in Schlafzimmern diffus wirkendes Licht, das an Mondschein erinnere, sagte er. Dazu gedämpftes Licht aus Minileuchten und dazu zwei schwenkbare Teile, die für etwa 160 Mark pro Stück die notwendige Helligkeit zur abendlichen Bettlektüre lieferten.

Und wenn er schlecht rasiert oder gar mit den typischen Verstümmelungen morgens aus dem Bad komme, könne das ein Indiz dafür sein, daß mit der Beleuchtung der Naßzelle etwas nicht stimme. Betty nickte. Allerdings sei der Blick in einen grell beleuchteten Spiegel unmittelbar nach dem Aufstehen auch nicht gerade angenehm. Der Leuchtenprofi wußte Bescheid. Er empfahl daher Lampen, die das Gesicht von zwei Seiten in warmem Licht erhellen. Sogenannte Krakenarme, bewegliche Leuchten oder wieder einmal Niedervoltlampen könnten in Bettys Bad für die passende Helligkeit sorgen. Meine Freundin war begeistert. „Weißt du“, sagte sie, „mit der Wohnzimmerbeleuchtung, das kann warten.“ Notfalls stelle sie ein paar mehr Kerzen auf, das sei auch sehr behaglich, und ohnehin wäre bald Weihnachten. „Aber die Badezimmervariante, die ist genial.“ Sie zahlte, ließ sich alles einpacken, und wir schleppten Krakenlampen und Niedervoltleuchten in ihre Wohnung, wo eine Flasche Martini im Kühlschrank lag.

Einst sollen es die Priester gewesen sein, vermutlich Lampenverkäufer, die da meinten, mit dem Licht sei auch die Freude ins Leben gekommen. Wie recht sie hatten, doch mit dem Licht kam auch die Angst in die Welt, sprach ein weiser Dichter. Die Angst vor dem Dunkel. Irgendwie trug es sich zu – ich erinnere mich dunkel – daß Betty mich bat, ihr beim Renovieren des Badezimmers behilflich zu sein. Kathi Seefeld