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„Brüskierung des Bezirksamts“

■ Friedrichshain: Sondersitzung der Bezirksverordneten nach Hausräumung. Einundzwanzig Festgenommene in „Anschlußgewahrsam“ nach Oranienburg

Die Räumungen von drei besetzten Häusern am vergangenen Dienstag waren gestern Thema einer Sondersitzung der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Friedrichshain. Kulturstadtrat Dieter Hildebrandt (PDS) erklärte vor Beginn der Sitzung gegenüber der taz, die Räumungen seien eine „Brüskierung des Bezirksamts“.

Schließlich habe das Bezirksamt zusammen mit der BVV unter Vorsitz von Bürgermeister Helios Mendiburu (SPD) eine Arbeitsgruppe gebildet, um an einer Verhandlungslösung für die noch besetzten Häuser zu arbeiten. Dies, so Hildebrandt, habe man auch dem Innensenator mitgeteilt. Bereits vor zwei Wochen hatte sich das Bezirksparlament für ein Räumungsmoratorium in Friedrichshain ausgesprochen. Bei der Räumungsaktion von Innensenator Schönbohm am Dienstag war auch ein Gebäude geräumt worden, dessen Bewohner sich in Kaufverhandlungen mit dem Alteigentümer befunden hatten.

Inzwischen hat die Polizei bestätigt, daß 21 Hausbesetzer, die am Donnerstag abend bei der Räumung eines neubesetzten Gebäudes in der Pfarrstraße 92 festgenommen worden waren, nach ihrer Festnahme in „Anschlußgewahrsam“ genommen worden seien. Dabei waren die Besetzer von der Polizei nach Oranienburg gebracht worden. Gegenüber dem PDS- Abgeordneten Freke Over hatten die Beamten diese Maßnahme damit begründet, daß auf einem Besetzerplenum am Dienstag abend zu „massenhaften Scheinbesetzungen“ aufgerufen worden sei. Sämtliche Festgenommenen waren gestern aber wieder auf freiem Fuß.

Die Räumung des Gebäudes in der Pfarrstraße 92 wird zumindest ein bezirkliches Nachspiel haben. Entgegen den Bemühungen des Lichtenberger Bürgermeisters Wolfram Fredersdorf (PDS) und zahlreicher Jugendprojekte, die Besetzung in der Pfarrstraße 92 bis Montag zu dulden, hatte der Lichtenberger Jugenddiakon Michael Heinisch die Polizei gerufen. Damit habe Heinisch auch den Bestand der beiden anderen, noch nicht vertraglich gesicherten besetzten Häuser in der Pfarrstraße gefährdet, erklärte gestern eine Mitarbeiterin eines Jugendprojekts. Am kommenden Mittwoch soll deshalb auch mit der Betroffenenvertretung über die neuerliche Situation in der Pfarrstraße geredet werden.

Der Jugenddiakon Heinisch, wegen seiner Jugendarbeit mit Rechtsradikalen als „National- Sozialarbeiter“ kritisiert, will am Montag mit dem Ausbau des Gebäudes beginnen. Das Projekt für arbeits- und obdachlose Jugendliche wird vom Senat mit 1,2 Millionen Mark unterstützt. Uwe Rada

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